Ist der Himmel blau?
Ich ging die Stufen nach oben, Schritt für Schritt hinauf, und fragte mich, ob das ein symbolischer Akt war. Stufensteigen als Zeichen dafür, dass ich hochkommen konnte? Ich bezahlte bargeldlos an der Kassa und fragte mich, ob das ein symbolischer Akt war. Bargeldloses Zahlen als Zeichen dafür, dass ich das, was zählt, nicht unbedingt sehen musste?
Ich machte Orangensaft und fragte mich, ob ich mehr als die Orangen auspresste. Ich schnitt mir dabei in den Finger und dachte daran, dass auch kleine Wunden ihre Bedeutung haben. Ich atmete auf und war dem Nicht-Sichtbaren dankbar. Indessen holte ich ein Pflaster für meinen Finger, stolperte dabei über den Staubsauger, war wütend, dachte und fragte mich – nichts. Dann wusch ich die Wäsche. Alles hatte verdient, wieder einmal von neu zu beginnen. Ich bügelte Blusen und überlegte, ob man im Leben alles mit Hitze geradebiegen musste. Ich nahm einen Schluck Gurken-Granatapfelkern-Wasser und ging in Gedanken der Frage nach, ob man mit Zusätzen alles schmackhaft machen konnte. Mir wurde heiß. Ich packte meine Jacke, nahm meinen Schlüssel, murmelte ein „Baba“, lies die Tür ins Schloss fallen und wünschte, dass Aus-dem-Haus-Gehen wirklich so funktionieren würde. Tatsächlich tauschte ich erst Jogginghose gegen Jeans, zog die Jeans wieder aus, weil ich einen Fleck entdeckt hatte, zog einen Rock an, weil ich keine Hose fand, suchte passende Strümpfe, ärgerte mich über Laufmaschen, putze meine Zähne, kämmte meine Haare, fragte mich, wohin Haarbänder verschwinden, drehte auf der Suche nach meiner Haube eine Runde durch die Wohnung, nahm schließlich die Schlüssel und lies die Tür ins Schloss fallen. Ich kam für mein Handy kurz wieder zurück. Warum waren manche Dinge selbst in Zeiten wichtig, in denen man sie nicht brauchte? Ich ging den Gehsteig entlang, mit einem Fuß im Schatten und dem anderen in der Sonne. Ich dachte über Entscheidungen nach. Es begann zu regnen und ich fragte mich, ob Wolken all die Tränen fallen ließen, die sich Menschen nicht trauten zu zeigen. Ich schaute zum Himmel hinauf und sah blau, obwohl ich wusste, dass der Himmel nicht blau war. Ich wunderte mich, weshalb viele Dinge nach etwas aussahen, dass sie nicht waren. Ich überlegte, ob sie dies mit Absicht taten.
Ich schaute zum Himmel und fragte mich, in welcher Welt ich lebte. Dieser Welt voller Fragen, Interpretationen und fehlenden Antworten. Fragte mich, ob in dieser Welt, die mit Symbolen überhäuft war, irgendetwas eine Bedeutung hatte. Ich schaute zum Himmel hinauf.
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