Jetzt und für immer
Ich erinnere mich noch ganz genau, ich stand vorm Spiegel in den viel zu großen Stöckelschuhen meiner Mutter mit meinem weißen Glitzerkleid und meinem improvisierten Schleier, den mir meine Oma gebastelt hatte. Im Spiegel sah ich ein kleines Mädchen, mich selbst, gerade mal sechs Jahre alt, dass mit einem breiten Grinsen voller Zahnlücken den Anblick bewunderte und sich dabei ausmalte, wie es wohl wäre, irgendwann einmal zu heiraten. Ein zaghafter unbeholfener Knicks und schon wankte mein früheres ic, weg vom Spiegel zurück zu meiner Mutter die lachend die Kamera zückte und sofort ein Foto schoss.
Ich sah das Foto ein letztes Mal an, es hatte bereits einige Knicke und Risse, so alt war es nun schon, bevor ich es in einer der versteckten Taschen meines Kleides verstaute. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich in den Vorraum der Kirche trat, wo bereits mein Vater auf mich wartete. Als er mich erblickte, traten ihm die Tränen in die Augen und er schlug die Hände vorm Mund zusammen. Ich hatte mir eigentlich geschworen nicht zu weinen, doch ich warf alles über den Haufen. Dies war so ein überwältigender Moment. Mein Vater nahm mich noch ein letztes Mal in den Arm, gab mir einen Kuss auf die Stirn und flüsterte mir ins Ohr wie unglaublich stolz er auf mich war. Wieder traten mir die Tränen in die Augen. Ein letzter Handgriff meiner besten Freundin, die heute meine Brautjungfer und Trauzeugin war, um meine zu Locken gedrehte Haarpracht in Form zu bringen. Auch sie umarmte mich noch einmal und sagte mir, wie glücklich sie war, bei diesem großen Moment in meinem Leben dabei zu sein. Ich hakte mich bei meinem Vater ein und dann wurden die Flügeltüren geöffnet. Wir schritten langsam den Gang zwischen den Bankreihen vor zum Altar. Alle sahen mich an und ich konnte nichts anderes denken als, „Jetzt ist es also so weit!“. Ich betrachtete die prunkvolle Kirche und die wunderschönen Blumengestecke, die an den Bankreihen angebracht worden waren und kam mir ein bisschen so vor wie in einem Märchen. Ich die hübsche Prinzessin, und ja, da vorne der Prinz. Mein Prinz.
Als mich mein Mann erblickte, liefen mir erneut Tränen über die Wangen, und normalerweise würde ich mir in so einem Moment Sorgen um mein Make-up machen, doch heute und hier war mir das egal, ich konnte an nichts anderes denken, als das ich gleich den Mann meiner Träume heiraten würde. Vorne angekommen umarmte ich ihn kurz und ich bemerkte, wie er leicht zitterte. Als wir uns voneinander lösten und er mich noch einmal von oben bis unten betrachten konnte, sagte er mit glasigen Augen, wie wunderschön ich doch sei, und nun begann auch ich zu zittern. Ihm lief eine Träne über die Wange. Nachdem wir uns einigermaßen über beide Ohren strahlend und mit geröteten Augen gefasst hatten, wandten wir uns dem Pfarrer zu und die Zeremonie begann.
Und nach einer Weile kam DER Satz:
„Ich erkläre euch somit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut nun küssen!“
Diesen Kuss werde ich wohl niemals im Leben vergessen!
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