Jungfrau mit Sexverletzung
Ich habe es nicht gewusst.
Ich hatte keine Ahnung, als ich das erste Mal in deine Augen sah.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick.
Jeder Teil von dir leuchtete, aber ich brauchte nicht darüber nachzudenken, ich war nicht verrückt, ich wollte dich nicht. Wir haben dann über alles gelacht, was jemals weh getan hat und weh tun wird. Dann kam der rostige Zweifel, der langsam kleiner und kleiner wird, während die Wurzeln des Vertrauens tiefer wachsen.
Ich habe es nicht gewusst.
Als ich als kleines Mädchen nackt durch die Wohnung tanzte und am Klavier saß, auf der Suche nach einem Lied, dass die liebevollsten Melodien aus den Seelen kommen.
Ein Augenblick nur, und das Mädchen, das am Strand mit voller Hingabe Eiscreme leckte, kann in einer Gruppe nicht mehr so tun, weil es so ist, als würde es um etwas bitten, das es nicht will. Jetzt ist es Sex auf zwei Beinen, wenn es Eiscreme leckt.
Eigentlich macht es alles, ist es Sex auf zwei Beinen, außer wenn es zum Beispiel auf einem Bein hüpft, dann. . . dann ist es egal.
Ich weiß nicht, ob mich das stört. Aber ich weiß, dass ich manchmal allein sein muss, um das Gefühl zu haben, dass ich nicht für andere atme. Ich nicht für andere esse. Ich nicht für andere tanze. Ich keine Brüste für andere habe. Ich nicht wegen anderer so gehe, wie ich gehe. Um das zu tun, ziehe ich natürlich die Vorhänge zu und klappe meinen Laptop zu, damit er mich nicht durch die kleine Kamera beobachten kann. Er, er beobachtet jeden. Ein Mann, der jeden beobachtet. Aber er ist nicht Gott, sagt mir bitte jemand, dass er nicht Gott ist.
Jemand soll sagen, dass Gott kein Mann ist. Jemand soll endlich aussprechen, es ist egal, was zwischen Gottes Beinen ist.
Ich bin gerne mit Frauen zusammen, mit Mädchen, vor allem mit Mädchen, die gerne mit Mädchen zusammen sind. Das ist kein feminazistisches Phänomen, ich mag einfach die Leichtigkeit, die zwischen Frauen sein kann. Und ja, ich weiß, dass niemand wie zwei Frauen streiten kann, aber vielleicht auch nicht so lieben. Es fällt mir leichter, mit Frauen Röcke zu tragen oder irgendetwas, das „extravagant“ ist. Wenn ich ausgehe oder Männer treffe, fühle ich mich manchmal wie eine Prostituierte, die man von einem Moment auf den anderen an der Straßenecke aufgegabelt hat.
Ich kann mich auch nicht deuten.
Es macht mir nicht wirklich etwas aus, als sexy angesehen zu werden. Es ist nur so, dass ich nicht mehr als unschuldig oder jungfräulich angesehen werde, was auch umgekehrt wahr ist. Ich will alle Etiketten haben. Alle. Ich will, dass alles ich ist. Alles ist jetzt ich. Aber nur, wenn dieses Alles auch Nichts beinhaltet. Denn was ist, wenn ich das Schöne und das Hässliche satthabe, wenn ich in der Mitte des Spektrums sein möchte, oder wenn ich völlig außerhalb des Spektrums sein möchte? Dazu muss ich die Vorhänge schließen und meinen Laptop zuklappen.
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