Kaffee trinken bei mir
Letztes Jahr, während der Pandemie, veränderte ich mich stark. Ich begann, die Menschen, die mir nicht gut taten, aus meinem Leben zu entferne, und die, die mir was bedeuteten, besser kennenzulernen. Mich um die Freundschaft zu bemühen. Daher beschloss ich, einen Freund einzuladen. Lange Zeit war er der einzige, den ich hatte, daher bedeutete er mir umso mehr. Ich plante tagelang, was wir unternehmen könnten, und durch die gegebene Umstände fiel mein Entschluss auf Kaffeetrinken bei mir. Im selben Augenblick wurde mir unfassbar schlecht. Ich war wohl krank.
Die Tage vergingen bis zu dem entscheidenden Tag, an dem ich lernte, dass mein Bauch immer recht haben würde.
Die Zeit vor diesen Tag verlief allerdings immer gleich. Ich stand auf, erledigte, was zu erledigen war, dachte an das Treffen und mir wurde schlecht. Immer wenn ich daran dachte. Es kamen die ersten Zweifel in mir auf, dass es kein Virus war, dem ich die Übelkeit zu verdanken hatte. An dem Tag des Treffens das gleiche. Schlussendlich war es so weit. Der besagte Freund machte sich auf den Weg zu mir. Von dort an wurde mir stetig übler und Tränen liefen über mein Gesicht. War es doch ein Virus?
Ich unterdrückte die Tränen und ignorierte die Übelkeit, um meinen Kollegen zu begrüßen. Sofort umarmte er mich, was nach der langen Zeit im Lockdown unangenehm auf mich wirkte. Ich sagte nichts.
Kurz darauf zeigte ich ihm unsere frisch renovierte Wohnung. Er kam mir oft zu nahe. Auch hier blieb ich still. Er versuchte mich schließlich in für mich nicht akzeptierbaren Wegen zu berühren. Diesmal ging er zu weit – ich we, hrte mich. Zitternd schritt ich also ein und hauchte die Worte: „Geh bitte“. Es wunderte mich, dass er mich überhaupt gehört hatte. Trotzdem ignorierte er die Aufforderung.
Es bedurfte einige Wiederholungen, bis er endlich ging. Und ich? Kurz nach dem ich die Tür ins Schloss fallen hörte, brach ich zusammen. Ich saß auf dem Boden und weinte wie noch nie zuvor. Die Übelkeit übertraf alle, s was ich mir je vorstellen hätte können. Ich realisierte, dass ich nicht krank war. Ich realisierte, dass es das Treffen war. Ich realisierte, dass ER es war.
Ja, diese Erzählung passierte wirklich u, nd jede Sekunde dieser Erfahrung war die Hölle. Ich blieb all die Zeit still, doch mit diesem Tag, mit dieser Chance will ich reden und aufstehen, um zu verdeutlichen was alles in unserer Gesellschaft schief läuft. Ein Verhalten wie dieses wird viel zu oft akzeptiert, toleriert und mit irgendwelchen Ausreden gut geredet, bis man es dann gar nicht mehr erwähnt. Auch wenn diese Erzählung nur von zwei oder drei Personen gelesen wird, bin ich trotzdem stolz auf mich, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Das ich redete und erzählte.
Danke für diese Möglichkeit.
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