Kapitulation von dem Gefallenen
Schon zum dritten Mal bin ich heute auf dem Weg zur Schule auf Glatteis ausgerutscht, ernsthaft? Dieses Mal sogar in den Schlamm, Mama wird mich umbringen. Jedes Mal das Gleiche, ohne dass ich es irgendwie verhindern kann, mittlerweile habe ich schon das Gefühl, dass ich nur noch mehr gehe, um schon wieder hinzufallen! Vielleicht sollte ich auch einfach liegen bleiben, denn was liegt, das fällt nicht. Aber was würden alle anderen dann von mir halten? Ist doch egal! Ich habe bestimmt, wie mein Weg beginnt, also werde ich auch bestimmen, wie er endet! Einfach liegen bleiben, das wäre schön. Mama hat immer gesagt, dass, wenn du etwas willst, auch etwas dafür geben musst. Wenn ich zur Schule will, muss ich darauf gefasst sein, zu fallen. Aber was ist, wenn ich nichts will? Keine Aktion heißt keine Reaktion.
Ich habe außerdem nie irgendjemanden darum gebeten, in die Schule zu gehen, also bin ich niemandem etwas schuldig. Ich habe mittlerweile schon Blasen an den Füßen, ehe die verheilt sind, gehe ich ganz gewiss nicht weiter, trotz alledem würde ich weitergehen, wenn es sich lohnen würde. Mit der Hose werde zum Gespött der ganzen Klasse. Ach was rede ich denn da, ist ja nicht so, als ob das was Neues wäre. Wozu wo hingehen, wo man nicht bleiben will. Hier aber möchte ich verweilen, ist zwar keine eine gute Wahl, aber die beste, die mir bleibt. Es gibt kein Zurück, nicht mit dieser Hose im Schlepptau und weiter will ich auch nicht. Ich möchte hier am sicheren Boden bleiben, um nicht mit der Furcht leben zu müssen, erneut zu fallen. Das halten weder mein Stolz noch meine Beine aus.
Ein unendlicher Schlaf mit keinem Ende in Sicht wäre genau das Ideale, besser als mich der Schande vor meiner Klasse und danach meiner Mutter stellen zu müssen. Eher bleibe ich hier und finde meinen ersehnten Frieden auf dem kühlen matschigen Schnee, der schon meine Hose durchtränkt hat. Ist das nicht ein sehr egozentrischer Wunsch, schließlich gibt es noch andere Menschen, denen ich etwas bedeute? Blödsinn! Wenn ich irgendjemandem wirklich etwas bedeuten würde, wäre ich in dieser Situation gar nicht erst oder zumindest nicht alleine! Wenn andere egoistisch sind, ist das ok, aber wenn ich es bin, ist es der Weltuntergang? Wenn ich mich dafür entscheide, hier zu bleiben, ist das ihre Schuld nicht meine. Hätten sie mir einen Grund zum Gehen gegeben, egal in welche Richtung, wäre ich losgestürmt. Aber so ist bei mir natürlich die Luft heraußen und somit auch der Drang, den Schmerz des Weges auf mich zu nehmen.
Ist mir doch egal, wenn ein paar Leute trauern, wenn ich nicht mal wichtig genug war, um etwas Mitgefühl oder Respekt zu bekommen, habe ich nicht die falsche Entscheidung getroffen.
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