Kein Ende
Meine Schritte prallen so hart auf dem Boden auf, dass ich sie kaum noch von meinem Herzschlag unterscheiden kann. Ich renne. Immer weiter und immer schneller. Bei jedem Atemzug, den ich nehme, fühlt es sich so an, als würden Glassplitter mein Herz zerreißen.
Hinter mir liegt etwas, das ich nicht beschreiben kann. Es ist dunkler als jede sternenlose Nacht und schwärzer als jede menschliche Vorstellung von Dunkelheit. Was vor mir ist, kann ich nicht sagen, denn ich sehe es nicht. Ich hoffe es wird heller, aber um das feststellen zu können, ist es noch zu weit weg.
Ich spüre den Drang, noch schneller zu werden, als wäre die Geschwindigkeit meine einzige Waffe, um mich wehren zu können. Denn wenn ich schnell genug laufe, wenn ich genug Tempo habe, dann bleibt das, was mich verfolgt, das, was mir im Nacken sitzt, vielleicht zurück.
Doch irgendwann merke ich: Da sind keine Schritte, da ist niemand vor dem ich mich verteidigen müsste, da sind auch keine Atemzüge, außer meine eigenen. Da ist nur dieses Dröhnen in meinem Kopf, es fühlt sich so an, als wäre mein Schädel die Straße, auf der meine Füße hämmern.
Das Tempo kommt nicht von draußen, niemand kann es sehen. Es ist in mir drin und wächst von Tag zu Tag. Es verschnellert sich, denn die Gedanken werden unkontrollierter, die Stimmen lauter und die Vorstellungen angsteinflößender. Sie zerstören jedes Gefühl von Ruhe, weil immer mehr Bilder vorbeirasen und immer mehr Erinnerungen wie Autos ineinander prallen. Mein Kopf ist viel schneller, als meine Beine es je sein könnten.
Ich renne vor mir selbst davon. Vor Fragen, die ich nicht beantworten kann, vor Sorgen, die meine Kehle zuschnüren und vor Gedanken, die lauter schreien als jedes Monster in der Nacht. Und ganz egal, welchen Weg ich wähle, sie finden immer zu mir zurück.
Ich könnte an die andere Seite der Welt ziehen, oder sie sogar ganz verlassen, doch sie würden mir folgen. Nein, sie lassen mich nie allein. Sie gönnen mir keine Sekunde Ruhe, keinen Moment Pause, um mich erholen zu können. Sie wohnen unter meiner Haut und sie kontrollieren mich mit jedem einzelnen Schritt, den ich gehe.
Und irgendwann, wenn meine Beine schwach werden und nachgeben, höre ich sie noch immer. Ich höre Gedanken, die nie müde werden. Es ist ein Tempo, das kein Ende kennt.
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