Kein Ende in Sicht
Früh morgens steh ich auf, gehe aufs Klo, wasche mir die Hände, das Gesicht, kämme mich, ziehe mich an, gehe die Treppe hinunter, frühstücke, putze mir die Zähne, packe meine Schulsachen, ziehe mir die Jacke und die Schuhe an und mache mich auf den Schulweg. Hinauf zum Bahnhof, wo viele Kinder warten und ich bin einer davon. Einer von vielen. Einsteigen, 30 Minuten Fahrt, aussteigen, in die Schule hatschen, Schuhe aus- und Patschen anziehen. Erste Stunde Englisch, zweite Stunde Mathe, dann zweimal Turnen, Religion und Deutsch. Wieder zurück zum Zug, einsteigen und 30 Minuten Fahrt nach Hause. Aussteigen, heim gehen, zu Mittag essen, Hausaufgaben machen, ein bisschen am Handy surfen, dann umziehen, etwas chillen, zu Abend essen, trainieren, duschen und schlafen gehen. Ein Tag wie jeder andere…immer das Gleiche und kein Ende in Sicht…
Doch heute war irgendetwas anders. Als ich hoch ging zum Bahnhof, war ich plötzlich ganz allein. Niemand war da. Ich schaute vorsichtig nach links und nach rechts, aber die anderen Kinder waren weg. Mir fiel auch ein, dass ich niemanden zu Hause gesehen hatte. Keine Durchsagen am Bahnhof, keine Geräusche von fahrenden Autos, der Zug kam auch nicht. „Was war geschehen?“, fragte ich mich. Da sah ich am Horizont eine durchsichtige Gestalt auf mich zukommen. Ein Wesen, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es hielt vor mir, umschwirrte mich. Ich konnte einen eigenartigen Geruch wahrnehmen. Etwas Überirdisches. Ich betrachtete das Wesen vorsichtig, es wirkte unscheinbar, fast ein wenig gespenstisch. Ich dachte und wünschte mir nur: „Hoffentlich geht das alles gut aus!“ Auf einmal zog es mich nach oben, es fühlte sich alles ganz leicht an und es gefiel mir zu fliegen. Von oben betrachtete ich die Umgebung, ich sah mein Zuhause mit dem schönen Garten, den grünen Wald dahinter und die herrlichen Wiesen. Auf einmal wurde es mir unheimlich zumute, das Wesen hielt mich fester und fester. Es gefiel mir nun nicht mehr und ich wollte nach Hause. Ich fing an, mich zu wehren, schlug wild um mich herum und schon ließ mich die Gestalt fallen. Es war ein harter Aufprall, doch ich überlebte und ergriff die Flucht. „Nur weg von hier,“ dachte ich mir. Keine Ahnung wie ich es schaffte, doch ich fand den Weg zurück nach Hause. „Ich will mein altes Leben zurück!“, schrie ich mit Leibeskräften.
Da fand ich mich in meinem Bett wieder. Es war früh morgens, ich stand auf und zum Glück war kein Ende in Sicht.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX