Kein Schnee im Oktober
Morgendliche Frischluft dringt kalt in meine Nase und die auberginefarbene Polyesterjacke raschelt mit jedem Schritt.
Du atmest leise ein und ich trete absichtlich auf das rotgefärbte Herbstlaub, damit die feindliche Stille zwischen uns endlich einmal still ist.
Die Blätter der Laubbäume bewegen sich fast lautlos im Wind. Sie machen keine Geräusche beim Fliegen.
»Es wird langsam Winter«, sage ich.
»Kann schon sein«, antwortet dein Mund.
»Lass mich in Ruhe«, meinen deine Augen.
»Es ist so kalt. Ich hoffe auf Schnee«, versuche ich es weiter.
»Was willst du? «, fauchen deine Augen.
»Es ist erst Oktober«, meint dein Mund.
Für dich hat Oktober nie Schnee bedeutet.
»Vielleicht wird es ja was aus weißen Weihnachten dieses Jahr. «
»Schnee zu Weihnachten? Geh´ bitte. « Schnauben, zusammengekniffene Mundwinkel und Kopfschütteln.
»Geh´ bitte. « Da sind sich deine Augen und dein Mund einig.
»Geh´ bitte. « Du wechselst nur selten in den Dialekt, meistens, wenn du etwas witzig oder gar lächerlich findest.
»Geh´ bitte. «
Irgendwie tut mir der Tonfall weh.
Ich frage mich, wann unser gemeinsamer Traum vom Schlittenfahren am Vierundzwanzigsten lächerlich geworden ist.
Wann wir angefangen haben, bei unseren Morgenspaziergängen zu schweigen und warum das zusammengetretene Herbstlaub zwischen uns plötzlich so laut ist.
Der Himmel lässt keine Schneeflocken rieseln, mein Mund schweigt und meine Jacke knistert, während ich den Blättern und uns beim Fallen zusehe.
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