Keine Fragen mehr
„Warum so langsam“, sprach mich der Fahrprüfer an. Ernsthaft? Ich fuhr doch nur so langsam, weil vor mir ein Radfahrer im Schneckentempo fuhr und ich nicht sicher war, ob ich ihn einfach überholen sollte. Und geholfen hatte mir der Prüfer deswegen auch nicht.
Das Übungsfahren mit meinem Vater war einfacher. Ich hatte kaum Probleme. Es lief alles gut. Ich hätte meinen können, dass ich eine sichere Fahrerin bin und das mit dem alten Klappergestell, das man nicht mal mehr Auto nennen kann. Gut, einmal wäre ich fast gegen eine Stopptafel gefahren, aber das war definitiv nicht die Schuld von mir, sondern die meines Vaters. Hätte er mich nicht gestresst, dass ich nach links schauen sollte, hätte ich das Lenkrad auch nicht verrissen. Und die paar Dellen, die bei meinen Übungsstunden entstanden waren, waren auch nicht meine Schuld gewesen. Wie hätte ich denn wissen sollen, dass der Radfahrer bei Rot über den Zebrastreifen fuhr.
Der Prüfer bombardierte mich weiter mit irgendwelchen Fragen. Das half mir nicht wirklich ruhiger zu werden. Ich versuchte, mich so gut es ging auf den Verkehr und die wild herumlaufenden Fußgänger zu konzentrieren. Warum musste ich auch ausgerechnet zu den Hauptverkehrszeiten herumfahren. Und jetzt wollte der Prüfer auch noch, dass ich all seine Fragen beantworte. Ich konnte mich nicht mal mehr an die erste Frage erinnern. Ich konnte gerade noch bremsen, als ein Fußgänger rücksichtslos über die Straße stolperte und einen weiteren mit sich riss. „Warum sind Sie jetzt schon wieder so langsam? Die anderen Autofahrer wollen auch noch an ihr Ziel kommen und zwar heute noch“, meckerte mich der Fahrprüfer wieder an. Mein Stresspegel stieg an.
Zehn Minuten später verließen wir zu meinem Glück die Hauptverkehrswege und fuhren in der Nähe der Donau ein paar Straßen entlang. Wie lange würde diese Fahrt eigentlich noch dauern? Mein Knöchel schmerzte vor Anspannung und mein linkes Bein war komplett eingeschlafen. Ich hätte wohl auch nichts frühstücken sollen, denn seit wir einen steinigen Pfad entlangfuhren, war mir schlecht, doch der Fahrlehrer gab mir nicht die Möglichkeit, auch nur anzumerken, dass mir kotzübel war, denn er plapperte immer noch irgendwelche Fragen, die ich nicht einmal mehr verstand. Irgendwas von Motoröl und dessen Siedepunkt. Hätten wir das überhaupt wissen müssen? Währenddessen musste ich mich auch noch konzentrieren, dem Prüfer nicht meinen Mageninhalt zu präsentieren.
„Links!“, schrie der Prüfer auf einmal ganz energisch. Ich erschrak, als ich merkte, warum er so schrie, doch es war zu spät. Das Auto fiel bereits in die Donau. Mein Körper wurde gegen den Airbag geschleudert, als das KFZ am Wasser aufprallte. Ich verlor mein Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, ging mir das Wasser bis zum Hals, über Kopf nur noch zwei Zentimeter Platz. Die Luft im Auto wurde knapp. Wenigstens stellte der Prüfer nun keine Fragen mehr…
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:




















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX