Keine Mutprobe für mich
Tagebucheintrag 29. September 2020:
In der neuen Schule gefällt es mir sehr gut. Ich schon einige Freunde gefunden, aber es gibt diese eine Clique, in die ich unbedingt hinein möchte. Diese Jungs in der Gruppe sind so cool, tragen immer Kappen und geile Pullover. Doch sie wollen mich nicht zu ihnen lassen. Sie haben gesagt, ich darf nur dabei sein, wenn ich eine Mutprobe bestehe. Eine Mutprobe! Soll ich das wirklich machen, Tagebuch? Ach, weißt du was? Ich tu es. Was kann schon Schlimmes passieren?
Tagebucheintrag 3. Oktober 2020:
Es tut mir leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe, Tagebuch, aber es ist etwas passiert. Ich habe den Jungs aus der Clique gesagt, ich bin bereit, die Mutprobe zu machen. Sie haben mir erklärt, dass ich die schwierigste machen muss, weil ich noch nicht mutig genug bin. Also, Tagebuch, ich muss 10 Minuten lang in den Garten des Nachbarn. Klingt nicht so schlimm, aber der Nachbar hat einen Dobermann und eine Dogge. Wie du natürlich weißt habe ich panische Angst vor Hunden, aber ich will halt unbedingt dabei sein.
Da bin ich also am ausgemachten Tag zu dem Tor des Gartens des Nachbarn gegangen. Die anderen haben dort schon auf mich gewartet. Natürlich so lässig und cool wie immer. Sie haben mir alles noch einmal erklärt und gefragt, ob ich das auf jeden Fall machen möchte. Ich sagte zögernd ja und dann ging es schon los. Ich hüpfte über den Zaun und war ganz kurz sogar glücklich, weil ich die Hunde noch nicht gesehen hatte. Aber keine 30 Sekunden später tauchten sie schon auf. Sie rasten wie wilde Tiere direkt auf mich zu. Ich hatte einen Schweißausbruch, konnte mich auf einmal gar nicht mehr bewegen und dachte das wars jetzt für mich. Doch plötzlich konnte ich mich aus meiner Starre lösen und sprang schnell über den Zaun wieder zurück auf die Straße. Ich sah nur die Jungs lachend fast auf dem Boden liegend. Danach bin ich sofort nach Hause gegangen. Weißt du Tagebuch? Sowas dummes mach ich nie wieder!
Tagebucheintrag 4. Oktober 2020:
Heute in der Schule habe ich den „coolen Kids“ gar keine Beachtung mehr geschenkt. Als sie mich gesehen haben, haben sie nur kurz gelacht und siech dann eh gleich wieder abgewandt. Ich bin dann zu meinen echten Freunden gegangen, die mit mir befreundet sind, auch wenn ich keine Hunde mag, wenn ich nicht solche übermütigen Sachen mache oder der Mutigste bin. Und das gefällt mir viel besser als cool zu sein.
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