Kleine Gesten, große Wirkung
Es war einer dieser Tage, an denen alles schief lief. Lara hatte ihren Bus verpasst, kam aus diesem Grund zu spät in den Unterricht und wurde deshalb gleich als erste über das neue Thema, dass sie in Geschichte durchgemacht haben geprüft. Natürlich hatte sie nichts über den 30-jährigen Krieg zu sagen, außer dass er 30 Jahre dauerte. Die Geschichte Lehrerin war davon nicht gerade beeindruckt und auch in den nächsten Unterrichtsstunden bekam sie kein Lob zu hören, was sie irritierte, denn sonst war sie immer eine der besseren Schülerinnen. Sie saß nämlich in der ersten Reihe, arbeitete immer im Unterricht mit, brachte Hausübungen und schrieb gute Noten in Tests. Sie war aber keine Streberin, dachte sie zumindest selbst über sich, denn sie war auch beliebt in der Klasse, viele sahen zu ihr auf, fanden sie cool.
Aus diesem Grund wunderte es Lara besonders, warum heute alles schief lief in der Schule.
Nach sechs qualvollen Schulstunden durfte sie endlich nach Hause gehen. Ihren Bus verpasste sie dieses Mal nicht.
Als Lara sich im Bus auf einen freien Sitzplatz fallen ließ, war sie erschöpft. Sie verstand die Welt nicht mehr, warum waren auf einmal alle gegen sie? Sogar das schlechte Regenwetter passte sich ihrer Stimmung an. Der Bus ruckelte durch die Straßen und Lara dachte über die vergangenen Stunden nach. Über die nicht sehr erfreuten Lehrer, die verstohlenen Blicke ihrer Mitschüler und über ihre besten Freunde, die sie heute auch gemieden hatten.
Doch dann, mitten in ihren Gedanken passierte etwas Merkwürdiges:
Als der Bus an einer Kreuzung hielt, erblickte sie eine alte Dame, die ziemlich hilflos in der Gegend herumschaute. Sie wirkte so, als würde sie sich nicht auskennen. Noch bevor Lara darüber nachdenken konnte, was sie tat, drückte sie im Bus auf den Stop-Knopf, um auszusteigen und und über die Straße zu gehen. Der Bus hielt, und sie stieg aus. Die alte Frau bemerkte sie nicht, bis Lara direkt neben ihr stand. „Entschuldigen Sie“, sagte Lara vorsichtig, „brauchen Sie Hilfe?“
Die Frau schaute auf, ihre Augen wirkten müde, aber dankbar. „Ja, ich habe mich verlaufen. Ich wollte zu meiner Tochter, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, in welcher Straße sie wohnt.“ Lara wusste nicht warum, aber sie verspürte den Drang, dieser alten Dame zu helfen. Also fanden sie, nachdem Lara ein paar Minuten in ihrem Handy suchte endlich die Adresse.
Die Frau hielt ihre Hand ganz fest und bedankte sich immer wieder bei Lara. In diesem Augenblick, als Lara die Hand der alten Frau spürte und ihr erleichtertes Lächeln sah, veränderte sich etwas in ihr. Es war, als hätte die Dunkelheit, die den ganzen Tag über ihr gehangen hatte, plötzlich nachgelassen. Dieser kleine Moment, diese unwichtige Tat, brachte ihr ein Gefühl von Freude zurück.
„Du hast mir so sehr geholfen“, sagte die Frau, als sie sich verabschiedeten. „Manchmal ist es genau der richtige Augenblick, in dem wir gebraucht werden.“, antwortete Lara.
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