Könnte das Liebe sein?
Mein Nacken ziepte, als ich die rote Tennistasche von meiner Schulter gleiten ließ. Die Trainingseinheit steckte mir in den Knochen und ließ mich alles doppelt so stark wahrnehmen. Mein Magen knurrte. Ich hatte seit fünf Stunden nichts außer einer Banane gegessen, um an Magnesium für meinen Körper zu gelangen. Ich bin todmüde und möchte nur noch in mein Bett fallen. Seit fast drei Monaten ging das nun so. Das ist es, was du opfern musst, um an die Weltspitze zu gelangen. Die Spitze die ich erklimmen möchte. Aufstehen, trainieren, Physiotherapien, essen, schlafen und wieder von vorne. Das Viertelfinale der US Open klopft an der Tür. Elena Rybakina wird mir gegenüberstehen, eine unglaubliche Gegnerin. Der letzte Gedanke, den ich für heute dachte. Ich schlief gut wie immer nach einem anstrengenden Tag.
Mein Wecker klingelte und ich machte mühevoll die Augen auf. Ich mochte den Morgen nicht. Ich war durch und durch kein Morgenmensch. Ich duschte eiskalt und blickte aus dem Fenster. Es schüttete. Somit fiel meine morgendliche Trainingseinheit im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Stattdessen klopfte ich bei unserem Nachbar Vince. Er war groß, braun gebrannt und ich stand seit zwei Jahren auf ihn. Aber zwischen dem Training blieb mir nur wenig Zeit übrig, die ich mit ihm verbringen konnte. So wie immer, wenn es regnete, gingen wir Frühstücken zu Michaels’. Er aß wie immer Pancakes und ich einen Fit - Bagel. Es war ein ungeschriebenes Gesetz und insgeheim freute ich mich über jeden Regentag. Er war mein bester Freund und unterstütze mich, wo er nur konnte, er war immer für mich. „Bist du bereit für das Viertelfinale morgen?“, fragte Vince. „Ich bin nervös, aber ich bin in Höchstform und freu mich darauf“, antwortete ich. „Ich freu mich auch, dich spielen zu sehen, du kannst so stolz auf dich sein.“ Röte schoss mir in die Wangen, wie immer, wenn er so etwas sagte.
Er lieferte mich am Platz ab, wo meine Tante Kate, meine Trainerin, schon wartete, und sah mir zu. Ich trainierte gegen meine Trainingspartnerin. Ein Ablauf, der mir so bekannt war und doch war da ein Schlag, der anders war. Ich lief und im nächsten Moment knickte ich weg und es machte einen lauten Knall. Meine Achillessehne riss. Tränen schossen mir in die Augen. Ich hörte nur meinen Namen und im nächsten Moment war da Vince. Er, der mich hochhob und an sich drückte. Im Inneren meiner Augen zog der Augenblick von den US Open vorbei. Die Ziellinie die verschwamm. Meine Spitze, die ich erklimmen wollte, sie verpuffte. Elena Rybakina, der ich nicht gegenüberstehen werde.
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