konstant
Unter uns die Donau, sie treibt nach vorne mit einer Geschwindigkeit, die wir von hier oben weitaus unterschätzen. Die Bank auf der Brücke, sie bildet einen Ruhepunkt in diesem ständigen Vorwärtstreiben. Wir sitzen auf dieser Bank, treiben nun nicht mehr, sind ganz ruhig, berühren uns.
Die Wolken über uns, sie wehen, bewegen sich, bleiben nicht ruhig an einem Punkt stehen. Zwischen dem hektischen Trubel der Wolken blitzt das Sonnenlicht hindurch, es scheint auf das Wasser, es glitzert. Der Wind, ungewohnt stark für einen warmen Julitag, weht mir ins Gesicht. Schräg sitze ich auf der Bank, meine Beine links und rechts, du liegst auf mir, ich stütze dich. Du lehnst deinen Kopf gegen meine Brust. Der Wind, er lässt deine Haare wehen - mir ins Gesicht - ich lache. Warum ich denn lache, fragst du mich. Deine Haare überall in meinem Gesicht, du bist überall, antworte ich. Du gibst mir ein Lächeln. Ich bin überall? Ja, du bist überall.
Während das Wasser unter uns, die Donau, fließt, der Wind stark weht, das Sonnenlicht das Wasser glitzern lässt, bin ich, sind wir ruhig, werden immer ruhiger. Die Welt um uns, sie scheint jedoch diesem unruhigen Moment zu gleichen. Alles fließt, weht, treibt so schnell, so stark, doch wir sitzen hier, lassen alles an uns vorbeiziehen. Gemeinsam bilden wir eine Konstante. Doch scheinen wir nur konstant zu sein und sind es nicht? Können wir gar konstant sein in einer dieser schnelllebenden Welt? Schwere Fragen - der Monolog in mir, er dreht sich ständig darum.
„Was denkst denn?“
Du blickst zu mir auf, die Gläser meiner Sonnenbrille lassen dich dunkler, brauner erscheinen als du es gar bist.
„An so vü.“
„Des klingt hart.“
Ja, es ist hart. Mag hart nun auch das falsche Wort für das Erleben eines Gedankenweges, eines Monologes sein, doch ja, es ist zermürbend dieses ganze Denken, dieses Gedachte.
„Du zerdenkst oba a alles.“
Ich lache auf. „Zerdenken?“, frage ich dich.
„Zerdenken, ja. Du beginnst zu denken und scho erblickst unzählige Facetten des Gedachten, die du donn wiederum überdenkst. Zerdenken halt.“
Ich blicke auf den Fluss unter uns. Er fließt und fließt. Länger noch wird er fließen als wir daran denken werden, dass wir ihn fließen sahen. Werden wir denn zurückdenken an diesen Moment? Die Konstante, die wir nun verspüren, wird sie Alltag sein – bald? Ich zerdenke schon wieder, halte inne.
„Gemma weiter?“
Du setzt dich auf, nimmst meine Hände, meinst, ich solle doch an heute denken. An heute Abend? Auch nicht, das ist Zukunft. An jetzt. Jetzt, das ist der Moment, in dem Mengen an Wasser unter uns gen Osten fließen, der Wind immer stärker weht, die Wolken eilig nach vorne treiben, die Menschen an uns vorbeigehen, gar laufen, und wir hier sitzen.
„Gemma weiter.“ Wir stehen auf, gehen weiter, den Weg, unseren Weg. Treiben, laufen, gehen - das verliert an Sinn, nach vorne zählt in unserer Welt.
Ich wäre sitzen geblieben auf dieser Bank - über dem Wasser - und wäre die Konstante gewesen, die ich suche.
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