Krieg
Ein einsamer Streifen aus Licht fällt durch die zugezogenen Vorhänge, in ihm funkeln Staubpartikel. Seit 4 Tagen, 7 Stunden und 9 Minuten sitze ich schon hinter verschlossenen Fenstern. Ich will niemanden sehen. Auch wenn die Idee nicht mehr wieder kommen wird, sie ist für immer gegangen, endgültig.
Langsam ziehe ich die Vorhänge auf und trete, geblendet vom hellen Licht, zurück. Sonnenstrahlen dringen in meinem Arbeitszimmer bis in den letzten Winkel vor. Gequält betrachte ich mein Papierchaos auf dem Schreibtisch. Darauf ein begonnenes Skript, das nie beendet werden wird. Der Friedhof in meinem Mülleimer. Ich hebe den Stapel Blätter auf und werfe ihn dazu. Eine weitere Leiche wird begraben.
Seufzend betrachte ich das weit geöffnete Fenster. Die frische Luft sollte mir frische Ideen bringen, doch das tut sie nicht. Stattdessen lenkt mich der Straßenlärm ab. Vor mir liegen leere Seiten. In meinem Kopf herrscht ebenfalls Leere vor. Ich stehe auf und strecke meine müden Muskeln, trinke eine Tasse Tee. Schluck für Schluck, ganz in Ruhe. Alles auf Anfang, denke ich mir. Und siehe da, als die Tasse geleert ist und ich nach dem Stift greife, fließen die Worte wie von selbst auf das Papier.
Die Tinte verwischt. Zu schnell schreibe ich Zeile um Zeile, Satz um Satz, Wort um Wort. Vertieft in diese fremde Welt, die doch meine eigene ist. Meine Figuren erzählen und ich bin ihr Zeuge. Dann klingelt es an der Tür. Meine Hand stoppt. Ich zögere. Ein erneutes Klingeln. Seufzend erhebe ich mich. Als ich zurückkehre haben sich die Figuren von mir abgewandt. Ihr eisiges Schweigen bestraft mich.
Pfeifend ruft der Teekessel mich aus meiner Trance. Vorsichtig schleiche ich durch das Minenfeld in meinem Arbeitszimmer. Aus der Küche hole ich mir eine dampfende Tasse mit Pfefferminztee. So kann es nicht weiter gehen. Ich muss meine Figuren zwingen mit mir zu reden! Oder bin ich doch zu unbegabt?
Ich blicke in meine Tasche. Schreibblöcke? Check. Füller? Check. Tintenpatronen? Check. Zufrieden kehre ich der Wohnung den Rücken zu. Es ist an der Zeit für einen Tapetenwechsel. Ich muss raus und greife nach den Waffen. Zu viel Zeit habe ich mit Trübsal blasen verschwendet, Schluss damit. Wenn ich mich anstrenge und von nichts ablenken lasse, kann ich es schaffen. Mein Traum ist zum Greifen nah!
Wieder fliegt meine Hand über das Papier. Stunden geht das schon so. Ein Krampf jagt den anderen, aber ich gebe nicht auf, lege den Stift nicht nieder. Diesmal schaffe ich es. Es ist nicht mehr viel!
Ich lasse die Feder fallen, die Schlacht ist gewonnen, es ist vollendet. Ich habe ein Buch geschrieben. Die schmerzhafte Entzündung meiner Hand ist nur ein geringer Preis für die Freude und Erleichterung, die mich durchströmen. Denn auch wenn ich oft verzweifle, eines ist Gewiss. Ich habe nie genug.
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