Kriegsgesicht
Märchenhaft dunkle Haare, kränklich blasse Haut.
Rot leuchtende Wangen und ein blauäugiges Baby in ihren zärtlichen Armen.
Sie blinzelt das Glitzern aus ihren Äpfeln.
Sehnsucht und Mitleid spiegeln sich in ihren Augen wider, Zärtlichkeit und Liebe schenken mir ihre Blicke. Ihr Anblick scheint so vertraut, aber ich habe sie noch nie in meinem Leben gesehen.
Panisch keuchend verschlingt mich Hysterie. Eine Perle tropft auf das Bettlaken und PENG.
Schritt für Schritt kommt sie näher, Schritt für Schritt nähert sich mir mein Feind.
Ich beginne mich verstohlen nach einer Pflegerin umzusehen, aber die Tür steht keinen Spalt offen und der nächste Rundgang beginnt erst in gut einer Stunde.
Stockendes, schlagendes Herz.
Schwefel und Rauch.
Feuer und Staub.
Verdammt, wir leben noch. PENG.
Mein Herz schlägt hektisch hinter meinen Rippen, mein Atem… mein Atem, atme ich?
Sie sieht traumhaft aus, wie sie das kleine Kind zu beruhigen versucht. Das alles scheint mir so vertraut. Die junge Frau tritt näher und ist jetzt nur noch einen halben Meter von meinem Bett entfernt. Das Kind wiegend beginnt sie eine kurze Melodie zu summen und eine familiäre Stimmung breitet sich in meinem Körper aus.
Wolken schweben.
Weiße Wolken tragen mich.
Engel fliegen.
Engel wachen über mich.
Dunkler Himmel, weiße Schafe, rotes Kleid.
Punkt, Punkt, Komma, Strich,
fertig ist das Kriegsgericht.
Mondgesicht.
Interessiert mich nicht.
Alle meine Freunde schwimmen in diesem Meer,
voller Blut und Tränen,
Schleim und Eingeweide, Staub und Gedärme.
Hände in die Höh',
einmal Peng und tot bist du.
Kreisch, kreisch, ich seh den Baum voller Wälder nicht.
Dämonisch lachend schreit das Mondgesicht.
Blaue Wimpern, blonde Ohren, weit aufgerissene Heckenschnauze.
Rot, rosa, gelb und weiß,
schon ertränkt mich mein eigener Schweiß.
Dröhnend krächzende Töne verlassen die trockene Kehle und folgen mir
auf dem Weg zum Leichenmeer.
Ihre glänzenden Augen mustern mein Gesicht und das Baby in ihren Armen streckt seine winzigen Ärmchen nach mir aus. Meine Mundwinkel zucken wider Willen nach oben. Jedes Mal vergesse ich aufs Neue, wer sie sind. Jedes Mal scheint die Krankheit fortgeschrittener zu sein. Jedes Mal bricht meine Enkelin erneut in erleichternde Tränen aus, wenn ich meine eigenen Augen in denen meines Urenkelkindes wiedererkenne.
Winzige Hände umfassen meine große, alte Pranke und ein Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
