Langsamkeit als Geschenk
Die Eile treibt mich an. Schon der Morgen beginnt schnell. Beim Frühstück wandern meine Gedanken zur Arbeit. Beim Zähneputzen entsteht ein Plan für den Tag. Alles gleichzeitig im Kopf, immer mehrere Aufgaben nebeneinander. Mein Geist ist unruhig, springt von einem Punkt zum nächsten, ohne Pause.
Der Weg zur Arbeit ist kaum weniger anstrengend. Jede rote Ampel wirkt wie ein Hindernis, jeder langsame Mensch auf dem Gehweg strapaziert meine Geduld. Ich möchte nur zügig vorankommen, jeden Moment nutzen, als würde Zeit davonlaufen.
Um mich herum sieht es kaum anders aus. Menschen eilen, starren auf ihre Bildschirme, laufen schnell und ohne Freude im Gesicht. Die Straßen wirken wie Ameisenstraßen, unaufhörlich in Bewegung. Aber wohin laufen wir eigentlich? Wissen wir das?
Manchmal steigt eine leise Angst in mir auf. Die Sorge, etwas zu verpassen – eine Nachricht, die wichtig ist, ein Anruf, der nicht warten darf, eine Gelegenheit, die vielleicht nur einmal kommt. Und so treibe ich mich weiter an, als müsste ich alles gleichzeitig erledigen.
Doch dann gibt es Momente, in denen alles plötzlich zum Stillstand kommt. Ein Lied auf Spotify berührt mich, die Sonne fällt warm auf mein Gesicht. In diesen Augenblicken verschwindet die Eile. Alles wirkt ruhig, mein Kopf hört auf, von Gedanken getrieben zu werden und es bleibt nur ein stilles Jetzt.
In dieser Stille wächst eine leise Sehnsucht. Der Wunsch nach mehr Raum für mich selbst, nach Atempausen, nach Augenblicken, in denen ich einfach nur existiere. Keine Termine, keine Pflichten, kein Druck. Nur ich.
Vielleicht ist Langsamkeit ein Geschenk. Den Kaffee genießen, ohne etwas anderes zu tun. Ein Gespräch führen, ohne auf die Uhr zu schauen. Eine Aufgabe nach der anderen erledigen.
Ich beginne zu verstehen, dass das Leben kein Wettbewerb ist. Es geht nicht darum, schneller zu sein als andere, mehr zu erreichen oder weiterzukommen. Es geht darum, bei sich selbst anzukommen – im eigenen Rhythmus.
Und wenn ich diese Augenblicke zulasse, merke ich, wie wertvoll sie sind. Wie sehr sie mich nähren, wie sehr sie mir Ruhe schenken. Ich entdecke die Schönheit in kleinen Dingen: die warmen Sonnenstrahlen, das Lächeln eines Fremden. Alles wirkt intensiver, wenn ich mir Zeit dafür nehme.
Langsamkeit wird zu einem Schatz, den ich in mir trage. Ein Geschenk, das mir hilft, die Welt nicht nur zu überstehen, sondern wirklich zu erleben.
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