Lächerliche Gedanken
Ich trockne meinen nassen Körper mit dem rauen Handtuch ab und betrachte die Körperteile ganz genau, als ich eine Stelle nach der anderen abwische. Das unangenehme, angespannte Gefühl trifft mich wieder. Ich blicke hinauf in den Badezimmerspiegel und stehe mir selbst gegenüber. Mein Blick gleitet langsam über die Reflexion des Spiegels. Ich mustere ganz genau alle Details, alle Ecken, alle Kanten, alle Kurven, alles. Ich seufzte beim Anblick. Meine Oberschenkel sind zu dick. Mein Bauch zu aufgeblasen. Achselspeck habe ich auch. Meine Schultern sind viel zu breit, meine Hüften zu schmal. Ich hasse meinen Körper. Meinen Körper? Ich hasse alles an mir. Ich trete meinem scheußlichen Spiegelbild näher, während ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln, und betrachte mein Gesicht und die glasigen, leicht rötlichen Augen. Es ist voller Hautunreinheiten und viel zu rund. Meine Nase ist zu groß und ungerade. Warum hab ich keine Stupsnase? Oder vollere Lippen? Ich weiche etwas zurück und starre in den Spiegel. Ich weiß nicht, ob ich die Person, die mir gerade gegenüber steht, mehr hasse oder sie mich. Ich senke meinen Blick vor Scham und richte ihn auf meine Arme. Ich spüre, wie zwei warme Tränenflüsse meine Wangen hinunter strömen. Ich will nicht mehr dahin schauen. Ich hasse es. Zweifel und Selbsthass erfüllen mich von innen, und meine Gedanken kreisen nur mehr um den Fakt, dass ich mich verachte, verabscheue, verfluche. Ich bin nicht zufrieden mit mir selbst. Ich bin nicht schön genug, nicht dünn genug, nicht gut genug. Das Knallen der Haustür reißt mich aus den Gedanken hinaus und ziehe mir schnell meine weiten Klamotten drüber. Ich wische mir rasch die Tränen aus dem Gesicht mit den Ärmeln meines Pullovers. Ich schau noch ein letztes Mal in den Spiegel und verlasse dann das Bad. Ich stoße auf Mama in der Küche. Sie schaut mich komisch an. Schau mich nicht so an, Mama. “Warum trägst du schon wieder deine weiten, langen Klamotten? Es hat 28 Grad da draußen. ” Ich zuckte mit den Schultern. “Mir ist kalt. ” „Wenn du mal gescheit essen würdest, wär dir vielleicht nicht so kalt.“ Ich schaue rüber auf die Küchentheke, mein Magen dreht sich um und ich schaue angeekelt weg. „Ich bin nicht hungrig.“ Mama schaut mich fassungslos an, sie weiß es. “Schiebst du hier wieder irgendwelche Komplexe wegen deinem Aussehen? ” Diese Worte treffen mich wie einen Schlag, ich stehe ruhig da, ich gebe keinen Ton von mir. Mama schaut mich genervt an. “Geh’ bitte! Das ist ja schon langsam wirklich lächerlich. ” Sie schaut mich ernst an. “Du übertreibst schon wieder. ” Noch ein Schlag ins Gesicht. Ich sage weiterhin nichts. “Was ist denn mit dir? ” Vieles Mama, ich will nicht mehr. “Nichts. ” Ich drehe mich um und geh langsam zurück in mein Zimmer. Ich höre, wie sie seufzt und leise vor sich hinredet. “Geh’ bitte, das ist ja total schwachsinnig. Geh’ bitte, also wirklich. Was ist bloß in sie gefahren? ” Geh’ bitte, sie wird es nie verstehen.
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