Lebensbiss
Es ist 2018, die Welt ist friedlich, vielleicht nur wegen der aufblühenden Präpubertät, doch trotzdem fühlt sich alles so einfach an. Die Schule bereitet mir dahingehend kaum Sorgen, Matheschularbeiten sind etwas, für die man keine existentiellen Krisen verspürt, und das wichtigste: sorgenfreies, uneingeschränktes Leben mit viel zu viel Freizeit. Nichtsdestotrotz war damals die Angst vor der Zukunft groß, vor dem Großwerden, vor der Verantwortung, vor so vielem. Hätte ich gewusst, dass die letzten 3 Jahre genauso in einem Kafkaroman hätten stehen können, hätte ich zuerst gefragt, wer Kafka wäre, und unmittelbar danach sicher noch mehr Angst gehabt. Das, woran alle denken, wenn man von den letzten 3 Jahren spricht, ist ident. Namentlich wird es hier nirgendwo zu lesen sein. Zu viel, zu viel Präsenz in den Medien, sogar am Essenstisch beim raren, gemeinsamen Abendessen, egal ob Weihnachten, Ostern oder mein Geburtstag. 1, 5 Jahre davon saß ich vor dem Computer mit maximal 5 Stunden Schlaf, keiner Aufmerksamkeit und sicher keiner Lust irgendetwas zu machen. Mein 15. Geburtstag bestand daraus, Angst vor der Polizei zu haben und wegzulaufen, nicht weil wir irgendwas geraucht oder getrunken haben - weil wir uns getroffen haben. Wie soll ich damit umgehen, dass meine Blütezeit der Jugend, von Homeschooling, Quarantäne und schlechter Politik geprägt war? Die Zeit bekommt niemand von uns wieder. Nun sitz ich hier. Reingeworfen ins Leben, 3 Jahre später, 3 Jahre älter, aber sicher nicht mit 3 Jahren mehr Erfahrung. Wenn es sich ausgeht, sind es maximal 2 Jahre mehr Lebenserfahrung. Die 11. Schulstufe überfordert jeden von uns und sind wir uns doch bitte mal ehrlich: Wer hat im Homeschooling wirklich gelernt? Wir hinken in Mathe, Spanisch und jeglichem anderen wichtigen Fach total hinterher. Natürlich hält jeder sein Fach für den heiligen Gral, jeder möchte Tests machen oder uns 45 Seiten auf einem Din A3 Blatt zusammenfassen lassen. Verständnis? Null. Nun sitz ich hier. Angst vor der Zukunft, vor der Matura und allem was danach kommt. Was kommt als nächstes? Atomkrieg? Dystopie? Welthunger? Doch alles, was danach kommt, ist nicht mein Problem, sondern das meines zukünftigen Ichs. Doch dafür muss ich mich selbst finden. Ein langer Weg, der vor jedem von uns liegt, doch nicht aufzugeben sein darf. Menschen müssen ihre Bedürfnisse erfüllen, sich mit Freunden treffen, nicht zu viel Arbeiten, aber am Wichtigsten – sie müssen leben.
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