Lebenswert
Ist das Leben, das sie lebt, überhaupt noch lebenswert?
Diese Frage stellte sie sich mal wieder, als sie nach einem anstrengenden Tag in der Klinik ihr Zimmer ihr Zimmer betrat. Sie war nun schon seit einem Monat hier, doch eine Besserung ihres Zustandes war weiterhin nicht zu sehen. Für sie war es hier wahrlich zur Hölle auf Erden geworden. Wird sie diesen schrecklichen Ort jemals verlassen können? Wird sie irgendwann wieder so etwas wie Freude oder etwa sogar Liebe empfinden? Sie wusste es nicht, die Chancen darauf, dass ihr Leben je wieder Sinn für sie macht, waren sehr niedrig. Sie kämpfte nun schon lange mit ihren Suizidgedanken.
Als sie sich auf das kleine Bett in der linken Ecke ihres Zimmers schmiss, kam ihr bei dem Anblick auf das andere Bett, das sich in dem Zimmer befand, ihre Zimmernachbarin in den Sinn. Den Raum teilte sie sich mit einem 13-jährigen Mädchen, das ebenfalls mit Selbstmordgedanken zu kämpfen hatte. Noch dazu litt sie an Schizophrenie, was die ganze Sache nur noch schlimmer machte. Eingeliefert wurde das junge Mädchen, weil sie versucht hatte sich das Leben zu nehmen, mehrmals. Sie selbst war wegen ihrer starken Depression und ihrer Gedanken hier gelandet. Oft hatte sie sich gewünscht sie hätte über ihren Zustand gelogen, dann wäre sie jetzt vielleicht nicht hier gefangen. Ihre Eltern nahmen ihre psychische Krankheit erst nicht ernst, haben sie dann aber trotzdem auf ärztlichen Rat hin in eine Klinik einweisen lassen.
Die Klinik… Es war kein schöner Ort. Um sieben Uhr morgens wurden sie von einer Krankenschwester geweckt, dann Zähne putzen, Zimmer aufräumen und umziehen. Im Esszimmer wurde sie von einer Krankenschwester auf Fieber, Blutdruck, Stuhlgang als auch Gewicht untersucht. Wenn alle Werte bei ihr passen würden, dann dürfte sie sich eine Zeit zum Ausgang nehmen. Nach dem Frühstück, Mittagessen und Abendessen fanden Reflexionsrunden statt, bei der Punkte verteilt wurden. Vormittags und nachmittags hatte sie entweder Therapiesitzungen oder Schule. Um 20 Uhr musste sie in einem der Gruppenräume die Nachrichten schauen. Bettruhe war immer um 21 Uhr, für die über 13-jährigen.
An die ganzen Verbote wollte sie gar nicht erst denken. Jegliche Elektronik war ihnen strengsenst untersagt. Hinaus durften sie lediglich, wenn es ihnen von einer Krankenschwester erlaubt wurde. Und wehe sie widersprach den liebenswerten Schwestern.
Ihre Zimmerkollegin, die gerade das Zimmer betrat und ihr eine gute Nacht wünschte, holte sie nun doch wieder in die Realität zurück. Also deckte sie sich zu und fiel mit dem Gedanken, der weiterhin in ihrem Kopf geisterte, in einen unruhigen Schlaf.
Ist das Leben, das sie lebt, überhaupt noch lebenswert?
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