Liebe
Ich hatte schon seit ich denken kann Angst vor der Liebe. Kaum jemand konnte mich verstehen, meine Furcht nachvollziehen. Sie meinten immer, dass ich noch zu jung wäre, keine Ahnung hätte, wovon ich da spreche. Ich hatte da zwar noch keine Erfahrungen gesammelt, jedoch hatte ich einen gesunden Menschenverstand.
Ich habe damals nicht verstanden, wie man glücklich sein konnte, wenn man sich Hals über Kopf in jemanden verliebte. Man wurde abhängig von der Person, man war auf einmal komplett verletzlich. Eine falsche Nachricht von ihr und der ganze Tag ist ruiniert. Wenn man sich auf einen Menschen, den man liebt, einlässt, drückt man ihm eine Waffe in die Hand, mit der er einen ganz leicht verletzten könnte, jedoch hofft man, dass er sie nie benutzt. Vor diesem Risiko hätte ich weniger Angst gehabt, wenn Menschen berechenbar wären, aber das sind sie nicht. Nicht mal ansatzweise. Eine Person kann am Abend von dir schwärmen und am nächsten Tag aufwachen und beschließen, dass du nicht mehr die Hauptrolle in ihrem Leben spielst.
Nein, auf einmal bist du nicht mal ein Protagonist in ihrem Film, der sich Leben nennt.
Menschen ändern ihre Meinung schnell. Ich habe gelernt, dass die meisten Menschen sich aus demselben Grund trennen, aus dem sie zusammen gekommen sind. Wie angsteinflößend das doch ist. Jemand kann dich anschauen, als wärst du der gewesen, der die Sterne in den Himmel gesetzt hat, und im nächsten Moment bist du gar nichts für sie.
Ich war der Ansicht, ich würde nie meine Meinung ändern, hätte für immer Angst vor der schrecklichen Liebe.
Doch dann kam diese eine Person.
Es war so, als hätte ich eine neue Farbe entdeckt, die sofort zu meiner Lieblingsfarbe wurde. Hals über Kopf verliebt war die Welt um so vieles schöner.
Auf einmal ging es in allen Liebesliedern und Filmen nur noch um ihn.
Ich drückte ihm mit meiner Abhängigkeit nicht nur eine Waffe in die Hand, sondern tausende. Auf einmal konnte ich verstehen, warum sich Menschen darauf einließen. Ich dachte nicht an die Zukunft, dachte nicht daran, wie lange wir zusammen bleiben würden. Das war in meinen Augen nebensächlich, ich konzentrierte mich auf den Moment, genoss ihn und dachte zum ersten Mal nicht pausenlos daran, wie es wohl ausgehen würde. Es ging nicht um das „und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“, denn ich konnte ihm kein für immer versprechenden, wollte ich vielleicht auch gar nicht, aber ich konnte „den Moment“ versprechen.
Auf einmal konnte ich verstehen, wieso sich Menschen Hals über Kopf ins Risiko stürzten, verletzt zu werden, denn dieses Gefühl geliebt zu werden, war es wert.
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