Lieber Freund
Ich habe mitbekommen, das du nicht mehr so oft lachst wie früher, nicht mehr auf die selbe Weise. Du meidest deine Freunde. Sitzt immer öfter abseits, sagst du bist nur müde und du siehst auch so aus. Aber ich weiß, es ist mehr als das. Deine alten Probleme, sie sind wiedergekommen, nicht wahr? Und sie sind schlimmer als davor, hab ich recht?
Ich weiß, unser Verhältnis war nie besonders gut. Ich habe einiges gesagt, einiges getan, worauf ich nicht stolz bin. Aber ich versuche mich zu ändern, weil ich sehe, was deine Freunde nicht sehen. Und was ich sehe besorgt mich. Ich erwarte nicht, dass du mir vergibst, aber ich hoffe du kannst darüber hinwegsehen und einen Neuanfang wagen. In schweren Zeiten braucht jeder von uns einen Menschen der versteht, und falls du mich lässt, werde ich immer hinter dir stehen, auch wenn du vielleicht das Gefühl hast, du wärst alleine. Denn ich weiß genau wie du dich fühlst.
Irgendwie erreichst du noch die Wohnung, doch sobald die Tür dich von dem Rest der Welt trennt geben deine Beine nach und das nächste was du wahrnimmst sind die kühlen Fliesen des Vorzimmers unter dir und der salzige Geschmack von lange zurückgehaltenen Tränen auf deinen Lippen. Dein eigenes Schluchzen und die stummen Schreie hörst du wie aus weiter Ferne und du wartest sehnsüchtig auf die Taubheit. An manchen Tagen wünscht du dir, du würdest auch nur irgendwas fühlen, egal ob Liebe oder Trauer. Doch jetzt begrüßt du das Nichts mit offenen Armen. Wie ein kalter Schleier legt es sich über deinen Körper, wie ein dichter Nebel befällt es deinen Kopf. Du fühlst nichts. Du denkst nichts. Obwohl es dich langsam abtötet hilft es dir, ich weiß das. Und sobald du nichts mehr spürst, machst du weiter als wäre nichts geschehen.
Du weißt, es kann nicht gesund sein, aber es funktioniert. Und es funktioniert gut, bis ein ganz einfacher Gedanke, eine alltägliche Unterhaltung, die Wand zum bröckeln bringt. Sie stürzt ein, begräbt dich in der Dunkelheit. Jeder Ziegelstein ein Satz, ein Gedanke, auf dir lastet das Gewicht von vielen schmerzhaften Jahren. Du vergisst, dass die Zeit deine Wunden schon längst geheilt hat, ein Funke reicht und deine Narben brennen. Brennen bis einige wenige Tropfen deiner heißen Tränen die Flammen löschen. Dein Körper hört auf zu zittern und der Moment ist vorbei. Das Leben um dich herum geht weiter, du hast gelernt zu vergessen, du hast gelernt deinen Schmerz zu ignorieren, dir selbst vorzulügen er wäre nicht mehr da. Bis du es wirklich glaubst.
Ich weiß, du hast genug. Genug von ihr, genug von dir selbst und genug von der Welt. Jeder Gedanke verrinnt in diesem einen. Er geht dir nicht mehr aus dem Kopf. Und ich weiß wie gefährlich dieser Gedanke sein kann, ich weiß, wie schwer es ist alleine davon wegzukommen. Deswegen schreibe ich dir, deswegen hoffe ich, du nimmst meine Hilfe, aber viel mehr noch, meine Freundschaft an. Halte immer deinen Kopf hoch. Kämpfe.
Gemeinsam schaffen wir das.
Liebe Grüße
Du selbst
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