Mein Opa
Mein Opa war nicht einer von denen, die den Großteil des Tages schlafen, essen und zur Abwechslung in den Garten gehen und (meist sinnlos) Sträucher zusammenschneiden. Nein, mein Opa war anders. Jeden Mittwoch hatte er eine Stunde mit seinem Tennistrainer. Seitdem er in Pension gegangen war, hatte er dieses Hobby und war mittlerweile schon ziemlich gut. Deshalb spielte er auch oft mit mir. Leider war ich nicht ganz so talentiert wie er.
Heute war sein 79. Geburtstag, darum hatte er auch all seine Freunde eingeladen. Also saß ich gemütlich an einem der Tische unter dem weißen Pavillon, den wir vorher aufgestellt haben, und sprach mit meinem Cousin. Er war nur ein paar Monate jünger als ich und wir verstanden uns eigentlich ganz gut. Ziemlich lange unterhielten wir uns über den Klimawandel, bis man ein Klirren von Besteck gegen Glas hörte und sich alle erhoben. Meine Mama hielt ihre Rede. Sie war, wie ihre Reden eben waren. Lang und tränenreich (sie weint bei solchen Anlässen so gut wie immer). Die Torte wurde serviert. Sie war mit blauer Buttercreme eingestrichen und hatte drei Etagen. Eine mit Schokolade, eine mit Himbeerganache und eine mit frischen Erdbeeren in einer Käse-Sahne Creme. Anschließend sangen alle „Happy Birthday“. Es war das übliche, fast schon schmerzhafte Gebrülle. Als dieses zu Ende ging blies Opa die Kerzen aus, doch etwas stimmte nicht. Plötzlich ließ er die Karte in seiner Hand fallen und sackte zusammen. Sofort rannte ich zu ihm hin. Die Symptome eines Schlaganfalls kannte ich nur zu gut von meinem Papa. 144. Die nächsten 15 Minuten waren schrecklich. Nur warten zu können, während dein Opa am Boden liegt und sich kaum bewegen kann. Doch dann kam die Rettung endlich.
Egal wie schrecklich diese 15 Minuten waren, die nächsten zwei Tage waren tausendmal schrecklicher. Tag und Nacht auf den Stühlen im Krankenhaus zu sitzen und darauf zu warten, dass irgendein Arzt kommt und sagt, dass es ihm wieder besser ginge. Aber kein Arzt konnte mir irgendetwas sagen. Drei Mal schoben sie ihn mitsamt dem Bett hinaus und wieder zurück hinein, um irgendwelche Untersuchungen zu machen. Und dann, nach über zwei Tagen, kam endlich ein Arzt. „Sie können zu ihm.“ Anscheinend ging es ihm endlich besser. Es war ein komisches Gefühl, ihn so zu sehen. Einerseits war ich überglücklich, dass er noch lebte, andererseits brach es mir das Herz, ihn sabbernd in all diesen Schläuchen zu sehen. Ich ging zu ihm hin und umarmte ihn. „Ich hab dich lieb.“ Und in diesem Moment hörte ich einen langen hohen Ton und er sackte weg.
„Ich hab dich auch lieb.“ Ich spürte eine dicke warme Träne an meiner Wange herunterlaufen und setzte mich auf den Boden. „Geh, bitte“, bat ich meine Mama, doch sie setzte sich zu mir und umarmte mich.
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