Mein Spiegel
Ich hasste es. Ich hasste mein Spiegelbild. Ich hasste das, was mich ausmachte. Meine Marke. Mein Aushängeschild. Doch am meisten hasste ich mich selbst, dafür, es soweit kommen zu lassen. Ich war mein eigener Feind.
Der Kampf, der mein Körper gegen meinen Kopf führte, war aussichtslos. Mit der Zeit wurden meine Gedanken stärker und mein Körper schwächer. Mein Kopf ernährte sich, ja fraß sich richtig satt, von dem Gewicht, das ich verlor. Mit der Zeit merkte ich jedoch, dass es mich nicht glücklicher machte, schlank zu sein.
Ich versuchte aufzuhören. Mich loszureißen. Den Krieg zu beenden. Ich hatte keine Chance. Ich schien verloren. Hin und her gerissen von einem Krieg in meinem Kopf.
Als ich akzeptierte, dass dieser Kampf kein Ende nehmen könne, ließ ich mich fallen. Ich öffnete zum ersten Mal seit langem meine Augen und erkannte, dass mehr in der Welt steckt als Kalorien zu zählen und zu hungern. Es fühlte sich an wie Frühling, der schleichend das Eis in mir brach und mit seinen Sonnenstrahlen endlich alles zum Erwachen brachte. Es war Neuland für mich, ausschließlich einen Körper zu sehen. Einen menschlichen Körper. Nur mich. Befreit von meinen eigenen strafenden Blicken der Selbstverachtung.
Neuland. Das heißt für mich, zu genießen ohne die Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, ich sei nicht schön, ich sei ekelerregend und ich solle mich schämen.
Wenn mich jemand fragt, wer den Krieg gewonnen hätte, würde ich weder Körper noch Kopf sagen, denn im Endeffekt zeigte mir der Spiegel, was ich wirklich tun sollte: mein Neuland erforschen und es als erobert erklären. Jeden Millimeter und jede Ecke zu erkunden, es lieben und akzeptieren zu lernen, das ist meine Mission.
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