Mein Todestag begann schon schlecht. Und wurde leider auch nicht besser.
Ihr müsst wissen, ich hatte mir das Ganze doch etwas anders vorgestellt, hatte erwartet, dass beim Aufwachen die Sonne scheinen würde und ich ihre Strahlen mit zufriedenen halb geschlossenen Augen auskosten könnte. Ich hatte ebenfalls gedacht, dass der liebliche Geruch von Blumen und Blüten in der Luft liegen würde. Doch nichts von all dem geschah.
Mein Todestag begann schon schlecht. Und ihr wisst ja – ist aller Anfang schlecht und denkt man, es könne nicht grauenvoller werden, so wird der Rest des Tages bestimmt auch nicht besser! Und so sollte es an diesem Tag, an diesem heute, schlechter als rechter weitergehen.
Nachdem ich also mit Kopfschmerzen und einem unbändigen Surren in den Ohren aufgewacht war und orientierungslos umhersah, bemerkte ich zu meinem Schrecken, in welch erbärmlichen Zustand ich mich befand. Erschöpft und voller Müdigkeit kam mir sogleich der Gedanke an meinen Tod in den Sinn, und als ich versuchte, mich aufzuraffen, fühlte mein Körper sich fremd und plump an. Nach Minuten des stillen Kampfes gegen meine innere Faulheit brachte ich schließlich meine Beine dazu, mich einige Schritte zu tragen. Mein Bauch war dick und ich schwer. Da erst merkte ich, wie düster es doch war, in der Stube. Dunkle Wolken standen am Himmel und ein Gefühl von Einsamkeit lag in der staubigen Luft. Ich sah um mich, spähte in die anderen Zimmer. Niemand da. Ich war allein.
Ihr könnt euch nun wohl schon denken, warum ich meinte, mein Todestag hätte schlecht begonnen und - wie gesagt – besser wurde er leider auch nicht mehr. Obwohl ich dies kurz für möglich hielt! Schwerfällig begab ich mich in die Küche, die natürlichste Bewegung am frühen Morgen, möchte ich meinen, und erwartete mich vor leeren Dosen und geschlossenen Schränken mit knurrendem Magen vorzufinden. Dem war allerdings nicht so. Am Küchentisch stand ein Glas Marmelade. Offen stand es da, ein Löffel steckte in der Masse. Wie süß und lieblich diese roch! Mhm. Marillenmarmelade angereichert mit mehr Zucker als nötig wäre – Gab es etwas Besseres? An meinem Todestag mit Sicherheit nicht.
Langsam näherte ich mir der Leckerei, nahm wahr, wie mein Bauch sich freudig zusammenzog und ein Gefühl der Gier sich in mir breitmachte. Vielleicht, dachte ich. Vielleicht konnte dieser Tag doch noch durch duftende Marillenmarmelade gerettet werden! Und da passierte es. Gepackt von Hunger und Lust stürzte ich mich auf die Marmelade, griff nach ich, spürte sie in meinem Mund, um meinem Mund, fiel Hals über Kopf – und plötzlich fühlte ich sie überall. Verklebt mit mehr flüssigem Zucker als nötig gewesen wäre, in einem Meer voller Leckereien, ertrank ich. Und da, am Höhenpunkt des Grauenhaften meines wahrlich schlechten Tages, starb ich einen süßen Tod als Eintagsfliege.
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