Mein unbekanntes Ziel
Ich wandere, Tag aus Tag ein, Tag und Nacht wandere ich über Berg und Tal. Mein Ziel ist nicht diesseits des großen Flusses sondern auf der wilden, unerforschten Flur am anderen Ufer. Das Gemunkel über die unbekannten Lande, wie man es da und dort aufschnappt, klingt recht vielversprechend, doch natürlich hat sich niemand je nah genug ans Flussufer gewagt, um die Wahrheit gesehen zu haben; nur wenige Mutige trauten sich in die Nähe. Aber ich will es genau wissen. Ich brauche Beweise. Ich muss die noch unbekannte Landschaft selbst erforschen. Ich muss das angenehme Klima dort spüren und mich von dem strahlenden, hellen Licht im Osten überzeugen, denn beides wirkt sich auf die weitläufigen Gebiete auf unserer Seite zum Fluss hin aus. Was werden die für Augen machen wenn ich, ein unbedeutender Bürger aus einem der Dörfer weiter landeinwärts, nun mit Erfahrungen und Erlebnissen zurückkehre, wie sie nicht der größte Abenteurer unter ihnen erlebt hat! So wandle ich nun schon seit Tagen, möglicherweise Wochen, meinem unbekannten Ziel entgegen und sehne mich danach wie nach dem Sonnenaufgang nach einer tiefen, schwarzen Nacht.
So komme ich dem Fluss und dem Licht immer näher, und bald blendet mich sogar seine Helligkeit, obwohl ich noch ein schönes Stück vom Fluss entfernt bin. Wenig später stellt sich mir die Frage, wie ich den Fluss überhaupt überqueren kann. Dass ich mir darüber nicht schon früher Gedanken gemacht habe! Ich werde mich in nächster Zeit südlich, flussabwärts orientieren…
Da! Wie durch ein Wunder erhebt sich plötzlich einige hundert Meter links vor mir ein kolossales Bauwerk. War das schon die ganze Zeit vor mir? Habe ich die letzte Wegstrecke etwa so verträumt zurückgelegt? Nun gut, ich gehe davon aus, dass ich mich einer Brücke ans andere Ufer nähere… Und auf einmal stehe ich vor einem prächtigen Torbogen, scheinbar ins Leere führend. Oder direkt ins Licht? Doch vor mir hebt sich eine dunkle Silhouette vor dem hellen Hintergrund ab. Geh, bitte! Kann sich dieses Etwas nicht für einen Augenblick zur Seite bewegen? Nur für einen kurzen Augenblick? So lange bin ich gewandert; um hier von einem Schatten die Sicht zu meinem Ziel verwehrt zu bekommen? Ich reiße die Augen auf, um vielleicht doch etwas im Licht dahinter wahrzunehmen. Und tatsächlich, plötzlich sehe ich nicht nur hellblauen Himmel mit wenigen Wölkchen. Nein, ich befinde mich, umgeben von wohliger Wärme, mitten in der Helligkeit, die mich jetzt nicht einmal blendet! Kurz blinzeln…
Das gibt es doch nicht! Ich sitze ja in meinem eigenen Gartenparadies, mitten am helllichten Tag! Und dabei habe ich mich doch gestern Abend in den Gartensessel gekuschelt, um den Sommerabend zu genießen! Da habe ich doch wirklich unter dem vertrauten Sternenhimmel die laue Sommernacht verbracht! Und der immer heller werdende Morgen und der Sonnenaufgang haben sogar ihren Weg in meinen Traum gefunden! Das schwarze Etwas? Ich weiß nicht, was sich hier tatsächlich vor meinen Augen abgespielt hat.
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