Meine geflochtenen Haare
Unter dem kühlen Schatten unseres Lieblingsbaumes sitzen wir
Tag und Nacht starren wir den Himmel an, so grundlos wie unsere Liebe für den Platz unter dem Baum. Wir hören Vogelgezwitscher, wir singen unsere eigenen Lieder und wenn die Dunkelheit den Mond zu leuchten bringt, streichen deine Hände meine Haare, flechten eine Strähne nach der anderen. Du meinst du liebst alles an meine Haare. , , Aber dich selber liebe ich noch mehr. ‘‘, flüsterst du fast unhörbar und ich meine die Wärme einer Umarmung zu spüren. Dabei streichen deine Hände über den fertiggeflochtenen Zopf
Herbst, eine Jahreszeit mit Erinnerungen so fern und doch so nah. Wer hätte gedacht, jetzt trage ich ein Ring um meinen Finger. Von Glück befasst in deinen Armen und verloren im Rhythmus deines Herzschlages. , , Ein Geschenk Gottes bist du und dieser Tag‘‘, verrätst du mir durch ein Flüstern ins Ohr. Unter dem Schatten unseres Baumes gebe ich dir das Ja-Wort, während einzelne seiner Blätter um uns herum fallen, schwebend in der Luft. Getragen und verlassen vom Wind
Musik spielt endlos im Auto, unsere Stimmen heiser von all dem Singen und keine Minute vergeht ohne ein Lächeln. Bereit auf ein Neuanfang zusammen, fahren wir den Weg entlang, hinterlassen einen Nebel aus Sand und Staub. Die Melodie der Lieder begleitet von meinem Klatschen. Wir fahren nach Baluchistan, zu deinem geliebten Bruder
Monate sitze ich wartend auf dich im Haus. Stundenlang bleibst du weg, bis die Stille mir ein treuer Freund wird. Du lässt dir den Bart länger wachsen und trägst andauernd deinen Turban um den Kopf. Jedes Mal gehst du mich an, ich soll meine Kopfbedeckung ordentlich aufsetzen, ich sei doch sonst die Liebe Gottes nicht würdig. Alle Scham ist dir überlegen, schimpfst du ohne Bedenken weiter. Meine geflochtenen Haare siehst du nicht mehr
, , Geh, bitte‘‘, denke ich mir jede Nacht, wenn du neue Waffen nachhause bringst. , , Geh, bitte‘‘, sage ich mir immer, wenn du und dein Bruder über einen Gott redet, für dem sich jedes Wesen mit Würde und ohne jegliches Zögern hinrichten muss. , , Geh, bitte‘‘, schreie ich mich innerlich an mit jedem Geldschein, den du aufzählst. Aus welchem unschuldigen Blut sie entstehen, plagt mich die Frage, bis alles nur Schmerz ist. , , Geh, bitte‘‘, flüstere ich mir zu, wenn du mir sagst, dass die Tränen meine Augen noch schöner machen als sonst
Wie als stünde ich an der Klippe eines Berges. So kurz vor einem Absturz, so einfach und schnell und unfassbar nah. Ein letzter Atemzug. Ein Fuß nach dem anderen, näher und näher strecken bis sie auf nichts stehen. Die Augen schließen und fallen. So ist das Leben mit dir gewesen. Ich bat mich immer selber: , , Geh, bitte! ‘‘, bis ich nicht mehr konnte. Ich habe es nie bemerkt, aber wir beide haben von Anfang an, dort auf der Klippe, gestanden. Wer zuerst gefallen ist, kann ich nicht sagen, aber keiner von uns hat überlebt
Alles was bleibt ist unser Baum, dein erfundener Gott und die Erinnerung an mein geflochtenes Haar.
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