Möglichkeiten
1
"Das wär'n dann bitte 23, 59€. " "Danke, schönen Tag noch! ", leiere ich, während schon der nächste Kunde vorrückt. Sichtlich gestresst schiebt er eine Toblerone statt der üblichen Trennstange auf das Band, das ich teuflischerweise weiterlaufen lasse. Mit milder Befriedigung sehe ich zu, wie er versucht, seinen Einkaufswagen noch schneller auszuräumen, um hinterherzukommen. Ich ziehe die Einkäufe in Lichtgeschwindigkeit über den Scanner. Er kauft: 1 Packung Klebeband, 1 Packung große Müllsäcke, 2 Packungen Schlafdurch Komplex hormonfrei, 1 Küchenmesserset, 1 Flasche Bleichmittel, 1 Schaufel groß, 1 Poolplane. Ich ziehe eine Augenbraue hoch: "Na? Da haben sie sich aber was vorgenommen? Wer soll's denn sein? " Die Panik in seinem Blick lässt mich schmunzeln. "Äh. Ja, Nein. Ähm, das ist jetzt nicht so, wies aussieht. . . ", stammelt er.
2
Das Telefon klingelt und stört mich bei meiner zweiten Wurstsemmel. Ich hebe ab und schmatze ins Telefon: "Schreinerei Schmerold am Apparat. Was gibt's? " Eine Damenstimme antwortet mir in biederemTon: "Grüß Gott, mein Name ist Inge Blümkeis, ich würde gern eine Kücheninsel einbauen lassen. Könnten sie mir da aushelfen? Ich habe werktags immer frei. " "Ok. . . Ja, wie wär's mit Montag? " "Gerne. "
Am Montag stehe ich fast pünktlich auf der Matte. Die liegt vor einer schweren weißen Haustür. Ich klingle, und Sekunden danach wird die Tür aufgerissen. Dahinter steht eine Frau um die 60 mit koketter, weißer Frisur. Sie bittet mich hinein. Sie führt mich in die Küche, die mit einem flauschigen, weißen Teppichboden ausgelegt ist. Es sieht aus, als wäre hier ein gigantischer Malteser gehäutet worden.
3
Ich trotte über den Friedhof, eine rostige Schaufel hinter mir herziehend. Ich kremple die Ärmel hoch und steche den Spaten in die Erde. Nach ca. 30 Zentimetern höre ich gedämpfte Stimmen, die sich nähern und wieder entfernen. Ich widme mich wieder meiner Grube, die bald jemand anderen beherbergen soll. Als ich einen Meter tiefer aufsehe, wandert ein orangenes Flackern über die Gräber. Ich hocke mich hinter einen Mamorengel und sehe klar und deutlich mehrere Personen im Kreis stehen. Sie haben dunkle Kapuzenmäntel an, und das im September in einer milden Nacht! Jede der Gestalten trägt eine Fackel, die ihr Gesicht wie unheimliche Fratzen wirken lässt. In ihrer Mitte, vom Feuer beschienen, steht ein Mann. Er trägt keinen Kapuzenmantel, sondern einen Anzug. Und ein Hühnchen. Seine Augen strahlen vor Stolz, als er das Huhn mit einer Hand loslässt und sich mit der freien Hand die geschniegelten Haare richtet. Der Singsang verklingt und Stille kehrt ein. Einer der Kapuzenträger fängt an zu sprechen: "Müsste das Huhn nicht am Leben sein? " Zustimmendes Gemurmel erfüllt kurz die Luft, bis der im Anzug antwortet: "Das passt schon so. " Immer mehr kritische Blicke treffen das in Plastik eingeschweißte, kopflose, federlose Huhn, das der Mann hält. Er wirft einen Blick auf das Etikett und erklärt dann: "Seht ihr, da sind sogar noch die Innereien drin. "
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