miss Trauen
Man sagt der Mensch habe 3 Gesichter, eines für die Welt, eines für die engsten Vertrauten und eines ganz tief drinnen nur für sich allein.
Er zeigte mir alles, denn mir erzählte er von seinen größten Sorgen, von schlaflosen zittrigen Nächten und Ängsten, die ihn plagten. Unbekümmert in der Wiese liegend, gewärmt von unseren ersten Alkopops, die wir gewissenlos auf der Parkbank stehen ließen. Das Gras war abgetreten, unsere Jeans, von denen alle Mädchen um uns herum behaupteten, wir sollten doch ausgebeultere tragen, voller staubiger Flecken. Lauwarmes Septemberwetter, ein dämmernder Freitagabend, an dem es sich für uns so anfühlte, als würde sich die Sonne um die Erde drehen. Er sprach von seinen Sehnsüchten und großen Träumen, dem Weglaufen von den Monstern unter seinem Bett in ein neues Leben, nichts und niemand würde ihn hier halten. Klirrende Gläser in Bars, Studentenleben und ein Mädchen das er mag. An diesem Abend schworen wir uns die ewige Freundschaft unter einer Blutbuche und gingen im Mondschein nach Hause.
Dann kam der Winter, der Nikolaus brachte weite Jeans, billigen Weißwein und einen freundlichen Trafikant mit Zigaretten in der Hand. Wir saßen von Dunkelheit umgeben auf gefrorenen Steinen vor dem Fluss Richtung Süden und wünschten uns einen Sandstrand herbei. Froren, bis wir tranken und lachten. Wir lachten darüber, dass unsere Musiklehrerin sich immer, wie eine Taube bewegte, trippelnd verloren. Er erzählte mir von diesem einem Mädchen und verschluckte beim Gedanken an sie vor Aufregung jedes halbe Wort. In ihren strahlenden Augen hatte er Zuflucht gefunden. Man könne in ihnen bunte Farben, wie in einem Kaleidoskop sehen. Wir schwebten weiterhin schwerelos dahin, wie Schneeflocken.
Aus der Erde sprossen erste Keime, morgens lag der Tau auf den Fensterscheiben der Autos und die Vögel der Stadt versammelten sich für zwitschernde Konzerte. Aufbruchsstimmung lag in der Luft und die Bäume um uns herum regten sich langsam wieder. Er streckte seine Hand aus, um nach dem abgenutzten BIC zu greifen und der Rauch dehnte sich empor. Wir gingen jetzt auf Partys, mit dem neuen Jahr hatte man uns eingeladen und wir wurden schnell Stammgäste. Einsinken in Sitzsäcken, die Pappbecher fest im Griff, während aus der Küche Verschwörungen erklangen. Sie war nie dort, denn sie zog Clubnächte vor, da spielte sich das wahre Nachtleben ab. Befreites Tanzen, Grölen und Saufen aus schicken Schnapsgläsern. Was er dafür geben würde, was es ihm bedeuten würde, sagte er oft. Nachts aus dem Fenster klettern, die 7 Sachen fest an den Rücken geschnallt, die SIM-Karte im Fluss versenken, einfach Augen zu und durch. Dort, wo die Sonne am höchsten stehe, wäre sein Ziel.
Plötzlich war er auf einmal weg, ich dachte schon der Tag kommt nie. Kurz geblinzelt, mit der Zunge geschnalzt, nie wieder aufgekreuzt und endlich frei. Vielleicht ist sie mitgegangen.
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