Mit all meinen Sinnen
Im Sommer 1992, als alles nach Teen Spirit roch, ich meine Seele tanzend in Pearl Jam tränkte, traf ich sie. Gekleidet in einem ockerfarbenen Pullover ihres Großvaters und zerrissenen Strümpfen, das feuerrote Haar passend zu ihren blutroten Lippen, eine Omage an Curtney. Ich und mein jugendliches Herz, die pure Unschuld, nichts ahnend welches Leid ich fühlen würde, welche Last ich tragen konnte und dass der tiefste Schmerz und die große Liebe nicht weit voneinander auf mich warteten.
Unzählige Liebeslieder würden folgen, „Rosa“ der ganz große, kleine Hit meiner Vorstadtband würde nach ihr benannt werden, nach der Frau meines Lebens. Doch es würde auch mein Name sein, den ich später auf ihrer Hand lesen werde. Ja ich werde Danny lesen, lesen, während ich sie schreiend aus dem Badezimmer, welches mit Braunen Blumen verziert war, tragen würde. Das Blut wird strömen und ich werde sie sehen, die Angst in ihren Augen.
Ich werde nicht den Mut aufbringen sie bedingungslos zu lieben, mich in ihr zu verlieren, wie es dieses von der Gesellschaft gebrochene Mädchen, das doch so stark wirkte, verdient hatte.
Doch das wusste ich im Sommer 1992, in dem alles nach Teen Spirit roch, noch nicht.
Im Sommer 2019, als alles nach billigem Wein schmeckte, ich meine Seele tanzend in Techno tränkte, traf ich sie. Sie war das schönste Mädchen auf der Tanzfläche, die ich seit Monaten jeden Samstag mit brennender Leidenschaft bespielte. Blaue Augen zu rotem Haar die mir mit ihrer Ausstrahlung den Atem raubten. Ihren Lieblingssong werde ich Nacht für Nacht nur für sie auflegen, um endlichen ihren Namen zu erfahren. Anna. Ich würde mit ihr sprechen, sie küssen, sie lieben. Alles werde ich geben, um „Emilio“ aus ihrem Mund zu hören, ich werde süchtig sein nach ihr sein. Die angsterfüllte, sture sowie starke Persönlichkeit wird mich an meine Grenzen treiben, und ich werde bitterlich weinen. Doch die große Liebe und der tiefste Schmerz liegen bekanntlich so unglaublich nahe beieinander. Sie wird mich wegstoßen, mir ihren Unmut zeigen, mich zerstören und im gleichen Moment wiederaufbauen. Doch ich werde den Mut aufbringen Sie zu lieben, und mich in dieser schwierigen Persönlichkeit zu verlieren. Doch das wusste ich im Sommer 2019, als alles nach billigem Wein schmeckte, noch nicht.
Im Sommer 2020, der so ungewiss war, als alles nach dem Untergang der Welt aussah, wir unsere Seele in Nachrichten tränkten, trafen wir zusammen. Zwei Frauen, Zwei Männer, Zwei sich liebende Einheiten. Das man sich immer zweimal trifft, war niemandem ein Geheimnis, doch welche Wendung unsere Geschichten machen würden, war uns damals, vor so lange, und doch so kurzer Zeit noch nicht bewusst. Das sich Liebe über Generationen verschiebt, und sich Schmerz vererbt, werden wir erfahren. Denn zur Liebe braucht man Mut, dass wussten wir nach dem Sommer 2020.
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