Musik
Habichtshände
Wir wandern hinunter zum See mit unseren Lampen, die aus dem dunklem Land um uns runde Kegel fahlgrauer Äste und bläulich bleichen Grases schneiden, im Tanz mit ihren Schatten, dem Rhythmus unserer schnellen Schritte folgend. Wir legen sie am Steg ab, und ich springe endlich hinein in das schwarze Wasser, dass aussieht wie ein öliger Teppich, sich jedoch in eine atemberaubende Klarheit und Sauberkeit verwandelt, sobald ich hineingesprungen und hindurchgebrochen bin.
Ich stehe halb im Wasser nach dem Sprung, so dass es kühl an meinen Beinen streicht. Das gespiegelte Licht singt hoch hinauf, besingt die moosigen Äste der alten Birke über uns. Dort oben all dies viel weniger klar und greifbar, doch hoch und viel größer und leuchtend. Und ich stehe da und schöpfe Wasser, mit beiden Händen in mein Gesicht, und die Lampe, ganz nahe, bewirft meine Hände, und sie ergrellen, sie und das Wasser, dass sie mir ins Gesicht tragen, sie ergrellen, je näher sie kommen, und ich kann nicht aufhören es zu wiederholen. Denn der letzte Blick auf die grellen Hände und das Wasser, der letzte Anblick bevor man die Augen schließt, und der erste, wenn man sie geschlossen hat, werden zu einem.
Wie ein weißer Habicht, der im Angriff die Schwingen ausbreitet, kommen die Hände auf mich zu, und wenn meine Reflexe einsetzen und ich die Augen schließe, bleibt sein Bild. Ich spüre das kühle nächtliche Wasser auf meinem Gesicht aufschlagen; und der nächtliche Vogel verharrt. Immer und immer wieder schnellt er auf mein Gesicht zu, immer immer wieder verschließe ich die Augen vor dem Wasser. Der weiße Habicht, ich sehe ihn, ob mit geschlossenen oder offenen Augen. Immer wieder lasse ich ihn auf mein Gesicht zuschnellen mit überwältigend gespreizten, mächtigen grellen Schwingen.
Doch er landet nie.
Wir steigen wieder hinauf zum See, der Lampen tanzende Kreise waschen die Nacht aus dem Gras. Wir wissen, er kann nicht mehr lange, er geht zu Ende. Der, der uns Sprünge ins nächtliche Wasser gibt und trockene Birkensamen, die auf heiße Stegplanken rieseln, und Libellen, die über gelbglühende Wellen knattern und unseren bewegungslosen Zigarettenrauch verwirbeln. Er geht vorbei, und in den Linden rauscht tausendfach geflüstert die Frage: „Kann er noch?“.
Wir wissen es, und drehen die Lampen, bevor wir hineingehen, das letzte Stück des Weges ab. Der Mars ist ziegelrot über uns heute, und ein Igel schnüffelt in der kalten Asche unseres Feuers.
Mars und Igel, und bald kommt der Herbst.
Alles sagt: , „nehmt Abschied“, und als ich die Stiege hoch ins Bett steige, mit nassen, habichtsnassen Haaren, summe ich.
What if I never speed
shall I straight yield to despair
And still on sorrow feed
that can no loss repair
or shall I change my love
for I find pow’r to depart
And in my reason prove
I can command my heart
…
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