Mut ist etwas anderes als du denkst
Das war er also. Der Gruppendruck. „Komm schon, Mann!“, „Das ist doch nicht hoch!“, „Du bist ja feige!“, all diese Sachen wurden ihm zugerufen. Und er wusste nicht was er tun sollte. Oder konnte. Er sah hinauf in den weiten Himmel. Er war so blau. So unglaublich blau. So weit. So unglaublich weit. Und dazwischen er. Ein 14-jähriger Junge. So klein. So unglaublich klein.
„Träumst du, Mann? Machst du jetzt endlich oder nicht?“ Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Stattdessen sagte er nichts. Gar nichts. Er schwieg.
Denn er hatte Angst. Solche riesengroße Angst. Es fühlte sich an als ob sich sein Magen zu einem Ziegelstein zusammenzöge. Einem viel zu großem und viel zu schwerem Ziegelstein.
Er rang nach Luft. Seine Luftzufuhr schien wie abgeschnitten. Seine Lunge verklebt und eingefallen. Wie eine uralte Bienenwabe. Er krampfte seine Hand in sein Shirt. Doch es half nicht. Röchelnd wandte er sich von seinen sogenannten Freunden ab. Wahre Freunde hätten nicht gelacht. Nicht jetzt.
Doch noch schlimmer als das Lachen waren die Vorwürfe. Und die waren in seinem Kopf: „Höhenangst! Du Feigling! Was kannst du schon!“ Das raunte ihm die höhnische Stimme zu.
Mit letzter Kraft schleppte er sich zu einer Bank und ließ sich auf diese fallen. Zu spät merkte er, dass sie nicht leer war. Neben ihm saß ein Mädchen, das er auf ungefähr Elf schätzen würde. Sie hatte braune Locken und eine Nickelbrille mit breitem, lilafarbenem Rand. Außerdem hatte sie eine seltsam zirpende Stimme mit der sie ihn jetzt einfach ansprach: „Warum?“ Er sah sie an. Irritiert, dass sie einfach so jemand Wildfremden ansprach. Er beschloss sie zu ignorieren und blickte starr auf den schmutzigen Boden unter seinen Füßen.
Umso mehr erschrak er als ein kalter Finger ihn sanft am Oberarm berührte.
„Lass das!“ Das rief er. Mit einem abwehrenden und aufgezwungenem wütenden Unterton. Doch in Wahrheit war er dankbar. Dankbar nicht allein zu sein. Allein mit seinen Vorwürfen.
„Es ist doch gar nicht schlimm, wenn du das nicht willst. Das mag nun mal nicht jeder.“ Seine Schultern sackten bei ihren Worten hinunter. Tiefer und tiefer. Schließlich flüsterte er: „Ich bin ein Looser. Ein Angsthase. Ein…“ Das letzte Wort versank langsam in seinem Schweigen wie ein Löffel in einem Honigglas.
Das Mädchen mit den großen Augen sah ihn von unten herauf an. „Mut ist nicht, wenn man alles tut um vor anderen gut dazustehen. Mut ist, wenn man sich traut etwas zu tun, auch wenn andere das schlecht finden. Mut ist einfach man selbst zu sein!“, mit diesen Worten gab das kleine Mädchen, das im Herzen schon so groß war, ihm einen sachten Schubs.
Und der große Junge, der im Herzen noch so klein war, drehte der Anlage des Bungee-Jumpings den Rücken.
Und war mutig.
Weil er einfach er selbst war.
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