Nächtliche Gedankenreisen
Der Wind wehte um mich herum, streichelte mir über das Haar und empfing mich in seiner Umarmung wie ein alter Freund. In diesem Moment fühlte ich mich geborgen und ja, man könnte schon fast sagen vollkommen glücklich. Es war Nacht, ich saß an der Dachkante eines Hochhauses, während meine Beine ins Nichts baumelten und mein Blick über die umliegende Umgebung schweifte. Es raubte mir den Atem, wie jedes Mal, wenn ich hier heraufkam, um meinem Alltag, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, zu entfliehen. Unter mir leuchteten und blinkten abertausende von Lichtern und um mich herum schoben sich ein Dutzend majestätischer Wolkenkratzer aus der dünnen Nebeldecke, welche sich heute über der Millionenstadt ausgebreitet hatte. Das alles gab mir ein merkwürdiges Gefühl von Vertrautheit. Und dort saß ich nun und tat, was man nun mal so tut, wenn man allein über einer riesigen Stadt thront. Ich dachte nach. Ich erinnerte mich daran, wie meine Großmutter mir früher immer Geschichten darüber erzählt hatte, wie es bei ihr früher zuging, als sie noch in meinem Alter war. Damals war es komplett anders gewesen. Es gab keine Computer, keine Handys und auch kein Internet. Kein Snapchat. Kein TikTok. Und ebenso kein gemeinsames Lachen über irgendwelche dummen Katzenvideos, die wir uns gegenseitig geschickt hatten. Äußerst langweilig wäre das gewesen. Ich beobachtete nun die Autos, welche sich nur wenige hundert Meter unter mir dahinwälzten. Hier oben konnte ich kaum den Lärm hören, den sie verursachten. Hier oben war es wie in einer Blase und alles außerhalb, wirkte irgendwie, naja abgedämpft und unwichtig. Nur das Heulen des Windes konnte ich klar und deutlich vernehmen. Ich blickte wieder hinab und beobachte das bunte Treiben, welches dort unten auf den Straßen stattfand. Ob Autos wohl jemals fliegen können würden? Als riesiger Science-Fiction Fan, wie ich einer war, erhoffte ich dies zumindest. Es wäre schließlich schon verdammt cool, wenn so ein Auto durch die Luft fliegen könnte, dachte ich mir. Vielleicht würde diese Vorstellung wirklich eines Tages Realität werden. Dann könnte ich meinen Enkelkindern erzählen, wie es damals war, als Autos noch auf dem Boden gefahren sind. Sie würden ungläubig um mich herumsitzen und mich fragen: „Oma war es wirklich so? Veräppelst du uns eh nicht? “ Irgendwie gefiel mir dieser Gedanke. Kaum vorstellbar, was für neue Entwicklungen die Zukunft wohl bringen würde. Ob meine Großmutter sich wohl all die fantastischen Sachen hatte ausmalen können, die es heutzutage wirklich gab? Plötzlich! Ein lauter Knall, als die Dachluke hinter mir zufiel. Erst jetzt bemerkte ich, wie kalt mir eigentlich geworden war. Genötigt durch die Kälte beschloss ich, dass es nun wohl oder übel Zeit war, wieder hineinzugehen. Ich verdrängte all die schönen Vorstellungen und Gedanken zurück in die Tiefen meines Gehirns, um mich anschließend von meinem Sims zu erheben und durch das schmale Dachfenster zurück in meinen gewohnten Alltag zu klettern.
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