Nebelkinder
Er lag auf dem Boden, auf dem flauschigen, knallorangen Teppich, der auf dem ersten Moment völlig unpassend in dem ordentlichen Raum schien. Er hatte ihn ausgelacht, als er ihn das erste Mal gesehen hatte, aber jetzt . . . mit der Zeit hatte er fast etwas Tröstendes angenommen.
Der junge Mann, welcher so zerbrechlich wirkte und es im Grunde seines Herzens wohl auch war, lag einfach nur zusammengerollt auf dem weichen Stoff, die Arme in seinem viel zu großen, grauen Pulli versteckt. Dunkle Augen fest geschlossen, merkte er, wie die Gedanken wieder auf ihn einstürmten. Hals über Kopf, einfach so. Sie ließen sich nicht aufhalten, so sehr er es auch versuchte.
Hals über Kopf.
Die Tränen begannen zu laufen, hinter seinen geschlossenen Lidern hindurch. Ruhig, still. Er drückte sein Gesicht gegen den Teppich, sein Körper bebte leicht. Wie konnte es so leicht gehen? Dass das Herz so schnell über den Kopf entschied?
Hals über Kopf.
Oh, wie er es damals gehasst hatte. Diese lächerlichen Panikattacken, scheinbar aus dem Nichts. Aber sie gehörten zu ihm, würden es auch wahrscheinlich immer tun. Er wurde es nicht mehr los, ein dunkler Teil von ihm, den er geradezu verachtete. In manchen Momenten zumindest. Es waren die schwachen.
Seine schwachen Tage. Jaja, sein dunkles Ich.
„Ich verspüre keinen Hass, denn für mich ist Hass Ballast für die Seele.“
Gedanken, Hals über Kopf. Er zitterte. Er spürte den warmen Körper seines Freundes, schon bevor dessen warme Hand seine eigene umschloss. Sicher und beruhigend.
"Kennst du dieses nutzlose Gefühl?“
Seine Stimme war nur ein Flüstern. Ein leises, zerbrechliches Wispern, jederzeit dazu bereit, sich wieder zurück zu ziehen. "Natürlich. " Wie immer klang seine Stimme sanft. Sich seiner Sache hundert Prozent sicher. Es war einer der vielen Sachen, die ihn ausmachten.
Ein leises Seufzen. "Hör auf dein Herz, Kleiner. "
Beide so jung. Glassplittertänzer in dieser grauen Welt. Hals über Kopf stolperten sie über einander, aber manchmal ist das nicht schlecht. Manchmal gibt es einen guten Anfang, zwei Herzen die noch glauben.
Ja, manchmal gibt es noch Seelen die in der Lage sind zu lieben.
"Aus Angst vor Schande müssen Menschen heimlich lieben. "
~ Adel Tawil • Gott steh mir bei
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