Neuanfang
Hier liege ich nun über 18. 000 km vollkommen überstürzt von zuhause fort in einem fremden Bett einer fremden Stadt einem fremden Land ja sogar einem fremden Kontinent. Völlig übermüdet von dem Jetlag, der mich noch in seinen Fängen hat. Es ist dunkel, ich höre die Katze miauen und die Hunde im Garten. Es ist so ungewohnt und doch ist es perfekt. Dieser Moment um 3 Uhr in der Früh mitten in Neuseeland ist perfekt mit all seinen Macken. Hals über Kopf habe ich einen neuen Weg in meinem endlosen Gang, der sich mein Leben nennt, angetreten. Nicht nachgedacht, einfach gehandelt aus dem Herzen heraus mitten ins Blaue. Tu das, was du liebst, das, was du für richtig hältst, sagt man doch so schön. Aber ist das nicht vollkommen egoistisch? Unser Herz ist egoistisch, es will sich selbst schützen das ist das einzige, was zählt. Aber das gehört dazu, wie sollen wir ohne Verluste und Schmerz sonst merken, wie gut wir es doch haben, wie glücklich wir uns schätzen sollten für das, was wir haben. Fehler machen ist wohl eine der schönsten menschlichen Eigenschaften, es zeigt uns, dass wir doch nicht so perfekt und allwissend sind wie wir uns geben. Während ich hier liege und mein übermüdetes Gehirn krampfhaft versucht, wach zu bleiben, wird mir klar, dass die Entscheidung hierher nach Neuseeland Christchurch zu kommen durch und durch egoistisch war. Hals über Kopf geflohen vor meinen Gefühlen, meinen Problemen und den Konsequenzen, die sie mit sich bringen. Ich bin geflohen, Hals über Kopf. Es trifft mich mitten in mein egoistisches Herz. Die Wahrheit ist nicht immer leicht zu ertragen, doch sie gehört dazu. Sie begegnet uns andauernd auf unseren Wegen. Ob wir wollen oder nicht, sie ist nicht in Watte gepackt und sie wird auch nicht schöngeredet. Die Realität ist knallhart und wir alle müssen lernen damit umzugehen, die, die es nicht schaffen, gehen daran kaputt. Ich bin gegangen, bevor ich zerbrechen konnte, bevor mich meine Gedanken und Sorgen ertränken konnten, und bevor man mir mein letztes Selbstbewusstsein nehmen konnte, bin ich gegangen. Ja, es war egoistisch und vermutlich feige. Doch wenn man am Ende ist, nicht mehr kämpfen kann, dann muss man einen Ausweg suchen, Hals über Kopf, auch wenn dieser Opfer bringt. Verlorene Freunde, Orte und Erinnerungen, vielleicht sogar seine erste große Liebe. Wenn so jemand oder so etwas aber plötzlich ein anders Gesicht zeigt, eines, das du nicht erwartet hattest, eines, das du nicht erhofft hattest. Doch die Dämonen verschwinden nicht und sie halten auch der Ozean oder Tausende von Kilometern nicht auf. Es ist schon kurz vor 4. Es regnet. Auch so weit weg von zuhause hört sich der Regen, der auf den Boden prasselt, gleich an. Er hat noch immer diese beruhigende Wirkung auf mich. Ich kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf mein Gesicht stiehlt. Ich öffne das Fenster, strecke meine Hand aus und lasse den Regen auf meine Haut rieseln. Ich bin gegangen, Hals über Kopf. Doch ich bereue keine Sekunde davon.
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