Neues aus der Gerüchteküche
27. September 2021. Neue Woche. Neuer Tag. Neustart. Wieder klingelt mein Wecker um exakt 6 Uhr. Geh bitte, nicht schon wieder. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig als mein superbequemes Bett zu verlassen und mich wieder einmal dem schrecklichen Alltag zu stellen. An die Schule möchte ich gar nicht erst denken. Neustart. Das ist ein guter Witz. Wie immer wird alles gleich ablaufen. Ich komme in die Schule, setze mich an meinen Tisch in der hintersten Ecke und warte darauf, bis der Schultag vorbei ist und ich wieder nach Hause gehen kann, um mein deprimierendes Leben weiterzuleben. Wann hat sich das alles geändert? Wann ist mein Leben so aus dem Ruder gelaufen? Diese beschissenen Gerüchte. „Ist das nicht das Mädchen, das ihre Klassenkameraden bestohlen hat?“ „Sie ist doch diese eine Diebin aus der sechsten Klasse, oder?“ Geh bitte, wie kommen die Leute nur darauf? Nie im Leben würde ich so eine schreckliche Tat begehen. Einmal ist man zur falschen Zeit, am falschen Ort und schon wird man beschuldigt, ohne überhaupt irgendetwas getan zu haben. Nicht einmal Beweise haben sie gegen mich in der Hand. Anscheinend liegt das einfach an der heutigen Gesellschaft. Gerüchte über Gerüchte. Einfach alles wird geglaubt und weitererzählt. Keiner hinterfragt die Aussagen. Keiner will sich darüber informieren, ob etwas wahr ist oder falsch. Keiner interessiert sich dafür, wie es den Personen geht, denen solche Gerüchte angehängt werden. Naja, wie geht es mir eigentlich? Was würde ich denn sagen, wenn sie mich fragten, wie es mir gehe? Ich fühle mich einsam, bin traurig, habe Angst in der Schule. Ein böser Blick von links, ein schräger Blick von rechts. Ich bin eingeschüchtert, habe das Gefühl, echt etwas verbrochen zu haben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich auch nicht, wie lange ich diesen Schikanen noch standhalten kann. Geh bitte, diesen Gedanken verdränge ich jetzt aber ganz schnell wieder. Das ist nur eine Phase. Nur eine Phase, die noch ein paar Tage oder Wochen anhält. Danach sind diese boshaften Gerüchte wieder vergessen. Oder? Irgendwann wird sicher ein neues Opfer gefunden, welchem es nicht anders ergehen wird als mir. So lange muss ich eben durchhalten. „Hey du! Sieh zu, dass du verschwindest! Diese Schule kann keine Kriminellen brauchen!“. Geh bitte…
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX