Nexus
Band um Band versuche ich zu lösen. Ich kann so schnell nicht laufen. Die Bänder sitzen in meiner Haut fest und schneiden mich auf wie scharfe Klingen. Die Stellen, die sie berühren brennen. Brennen meine Haut weg. Sie umgreifen mein Inneres, reißen meine Organe aus mir heraus und verfangen sich immer mehr, bis sie das Einzige sind was meinen Körper aufrechterhält. Egal welches Band, keines kann ich verlieren oder abschneiden, denn alle verbinden mich. Die schlechten Erinnerungen, die sie halten räumen mich aus, machen mich leer, schneiden mir die Haut vom Körper ab. Manche Bänder sind locker und versuchen nur mich aufrecht zu erhalten. Andere verletzen mich und lassen mich nicht los. Ich kann nicht weitergehen und wegreißen kann ich mich auch nicht. Mir fehlt Tempo. Ich müsste schneller sein. Langsam entstehen immer tiefere Wunden und die Bänder drücken sich in das offene Fleisch hinein. Ein Band umwickelt meinen Hals und ich bekomme kaum noch Luft. Ich wehre mich nicht, denn dieses Band ist mir wichtig. Wie viele andere auch.
Jemand rennt mit einem Messer auf mich zu und die Klinge liegt plötzlich auf meinem Hals. Er drückt die Klinge nach oben. Schnell. Ich hole tief Luft. Das Band ist weg. Er schreit mich an: „Tempo! Bevor es dich wieder hat!“ Erschrocken laufe ich weg und ziehe die anderen Bänder mit mir. Ein paar lockere bleiben und stützen mich, während andere sich lösen. Er nimmt meine Hand und wir laufen. Ich weiß nicht wohin, denn ich wusste auch nicht, wo ich vorher war. Wo er vorher war, wusste ich auch nicht. Meine Arme brennen, denn sie sind voller offener Wunden. Wir laufen weiter und kühler Wind beruhigt meine Haut ein wenig. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, denn er blickt nie zurück. Er hält meine Hand fest und bleibt für keine Sekunde stehen. Er dreht sich nicht um. Ich laufe blind mit ihm mit und alles andere um mich herum scheint bedeckt von Nebel und Kälte. Meine Wunden heilen, während wir laufen und verschwinden langsam. Nur ein paar tiefere hinterlassen Narben, die mich an das Band, das sie verursacht hat, für immer erinnern werden.
Nach unzähligen Monaten bleiben wir stehen. Ich schaue zurück und sehe die verbliebenen Bänder hinter mir, die sich weit in die Ferne ziehen. Sie tun mir nicht weh, sie formen mich, halten mich und leiten mich zurück, falls ich sie brauche. Der Nebel löst sich auf und ich sehe, dass die Person, die mich geführt hat, noch das Band in der anderen Hand hält, dass sie von meinem Hals entfernen musste. Es ist kaputt und blutig. Ich möchte sehen wie lang es war und ob es ebenfalls so weit zurückgeht, denn er hat es den ganzen Weg mitgenommen. Ich verfolge es und sehe, dass er beide Enden hat. Nur das das andere Ende noch an ihm befestigt ist. Es schnürt sich um seinen Arm und seine Brust. Es zieht ihn zusammen. Dann dreht er sich um, um es wieder an mir festzubinden. Er scheint Angst zu haben. Wie oft haben wir das jetzt bereits gemacht? Jetzt nicht. Ich muss atmen. Ich muss laufen. Tempo!
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