Nichts ist wichtig
Meine Schritte wirken so unerträglich laut und hallend in dem leeren Treppenhaus. Ich starre auf meine Füße und es fühlt sich eher an, als würde ich ein Video aus der Ich-Perspektive anschauen, anstatt selber in der Situation zu sein.
Kalte Herbstluft schlägt mir ins Gesicht als ich die Tür aufreiße und in die Dunkelheit hinaustrete. Ohne nachzudenken, schlage ich den Weg ein, den ich jede Woche sooft gehe. Vielleicht hätte ich einen oder zwei Gedanken daran verschwenden sollen, wohin ich gehe und was der wirkliche Antrieb dafür ist. Komfort und Sicherheit, sage ich mir als Grund. Verzweiflung und Angst sind aber die wirklichen Motivatoren.
Warum bist du so nervös? , hast du mich einmal gefragt. Es fällt mir ein weil ich gerade auch nervös bin. Angespannt. Mein Körper zittert und ich wünschte, ich hätte mir eine wärmere Jacke angezogen. Doch ich hatte die Wohnung so fluchtartig und überzeugt verlassen, als ob ich damit automatisch alle meine Probleme hinter mir lasse und sie mich nicht mehr stören. Wie naiv, denke ich und muss beinahe loslachen. Verzweifelt und jetzt auch noch verrückt.
Meine Finger fühlen sich vor Kälte bereits etwas taub an, als ich eine bereits halbleere Packung Zigaretten aus meiner Tasche ziehe. Dabei habe ich sie erst gestern gekauft. Als ich eine anzünde, fühle ich mich ein Stück besser. Es ist wahrscheinlich weniger das Nikotin als die reine Gewohnheit, die mich beruhigt. Eigentlich kann ich den Geruch überhaupt nicht leiden (warum hörst du dann nicht einfach auf? ). Du eigentlich auch nicht, aber trotzdem hast du deine Zigarette immer halb in der Wohnung stehend geraucht.
Meine Schritte dröhnen in der nach kaltem Rauch riechenden Unterführung.
Bist du krank? Du siehst müde aus, es war mir unangenehm, dass du mich das gefragt hast und ich habe angefangen zu stottern. Vor neun Monaten hatten wir diese etwas peinliche Konversation und seitdem habe ich weiter abgenommen und meine Augenringe sind noch dunkler geworden. Inzwischen hast du dich wohl an den Anblick gewöhnt.
Ein Lächeln deutet sich auf meinen Lippen an. Wenn ich in etwas gut bin, dann darin, in völlig unwichtige Gespräche die Welt, einen Liebesroman und den Anfang einer Ballade hineinzudichten. Einmal, als wir uns länger angesehen haben, meinte ich, es wäre Der Blick bevor man sich küsst. Aber du hast wahrscheinlich einfach nur geschaut. Ein wenig länger weil du mit den Gedanken woanders warst; weil du müde warst.
Ich will nicht weinen. Nicht schon wieder wegen dir. Doch meine Willenskraft bricht weg und mit zusammengepressten Lippen starre ich in die orangenen Lichter der Straßenlaternen. Sie wirken beinahe zu grell im Kontrast mit dem dunkelblauen Himmel, an dem ein paar graue, klebrige Wolken hängen.
Ein weiterer tiefer Zug. Ein Stück schwärzere Lunge. Du wirst nicht zu Hause sein, ich weiß das und es macht mich verdammt traurig. Du fehlst mir.
Ich kann nicht denken. Wiedermal. Doch ich muss nicht denken. Ich weiß, wohin ich muss.
Zu dir. Auch wenn du nicht da bist.
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