Nie genug
Schweiß tropfte von meiner Stirn, meine Haare klebten in braunen, wirren Strähnen an meinem Gesicht, und ich nahm mein T-Shirt zur Hilfe, um mich abzutrocknen.
„Aufstellen! Maximale Geschwindigkeit, Tiefstart!“
Die Sonne brannte auf den roten Boden und erwärmte die Sprinterbahnen, ich verbrannte mich beinahe, als ich mich hinkniete, und meine Hände auf dem Boden platzierte.
„Auf die Plätze. . . .“
Ich blinzelte meiner Trainingskollegin neben mir zu, sie hatte ihre Lippen zusammengepresst, und starrte die Bahn grimmig an.
„Fertig. . . .“
Ich pustete schnell eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und bereitete mich auf den Start vor. Unserem Trainer entging kein Früh- oder Spätstart, es war schwer, die perfekte Balance zwischen beiden zu finden.
„LOS!“
Das laute Klappen ertönte, und ich drückte mich vom Boden ab. Wie immer war ich beim Start angespannt gewesen, doch dieser hier war gut.
Die drei Kontrahenten stoben wie Feldhasen davon, und ich legte an Tempo zu, bis meine Beine schwer wie Blei wurden und meine Muskeln Feuer gefangen hatten.
Die Ziellinie war nah, es waren nur zweihundert Meter, ich musste meine Zeit verbessern, mindestens vier Zehntelsekunden, sonst hatte ich in Wettkämpfen kaum eine Chance.
Schneller!
Mein Herz pochte wie wild, und ich verwendete meine letzten Kraftreserven, um mich über die Ziellinie zu schieben.
Schwer atmend lief ich aus, die Sprinterin neben mir trabte, grazil wie ein Reh, und schaute sich hochmütig um.
Ich stützte meine Hände auf die Oberschenkel, und beugte mich vor, bis mein Atem sich beruhigt hatte.
Dann kehrte der Trainer mit vier Stoppuhren zu uns, er lobte die Schnellste, und kam zu mir. Ich wusste nicht, welchen Platz ich belegt hatte.
Vierte.
Vierte.
Vierte. . .
Das Wort pochte in meinem Kopf, versetzte mir schmerzhafte Schläge.
Er schob mir die Uhr hin.
„Es war nicht genug!“, sagte er eindringlich. „Du musst dir mehr Mühe geben.“
Warum hörte ich nicht einfach auf, wenn ich nie gut genug war, hatte mich oft genug gefragt. Ich wusste es selbst nicht.
Ich starrte auf diese kalten, abweisenden Zahlen, genauestens auf die Hundertstelsekunde gemessen, ich war wütend auf sie, obwohl sie streng genommen nichts dafür konnten.
Es war einfach nie genug, egal was ich tat.
Ich konnte es noch so sehr versuchen, aber es war nie genug.
Als mir die Erkenntnis in der gleißenden Sonne kam, und ich meine kühle Wasserflasche an die heiße Wange hielt, wusste ich nicht, warum ich weitermachte. Aber ich tat es, wie immer davor, und davor, und nochmals davor.
Aber es war nie genug.
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