Noor
Müde und verwesen schlendert sie an ihnen vorbei.
Vorbei an die unerfüllten Träume der Eltern. Träume an denen sie so festgehalten haben. Träume, die nie verwirklicht wurden Träume, die verderbten. Träume, die zum Trauma wurden.
Der Turm ihrer Träume wurde zu Trümmern ihres Traumas.
Trauma, die sie vererbte. Trauma, die ihr in die Wiege gelegt wurden. Trauma, die sie erst nicht erkannte nun, aber nicht loswerden kann.
Sie versucht alles hinter sich zulassen. Sie versucht sie zu ignorieren, genau sowie all die grimmigen Gesichter, die ihr täglich begegnen. Sie will alles ablegen und abheben. Doch die Last auf ihren Schultern hindert sie daran. Sie bereitet die Flügel aus, doch die Wunden tun ihr schwer.
Sie gibt auf und geht weiter trotz blutender Füße.
Doch mit jedem Schritt schlägt das Herz schneller.
Die Finger werden blau. Alles um sie schwirrt umher.
Nein, sie verkraftet es nicht mehr.
Sie bleibt stehen und holt einen ganz tiefen Atem. Ausatmend hebt sie den Kopf und öffnet sanft die Augen. Plötzlich blickt sie ihn.
Sie hätte es erahnen müssen. Wegen ihm raste das Herz. Wegen ihm war das Blut an den Händen und Füßen erstarrt.
Er hatte ihren Augen das Licht geraubt, ihrem Körper die Wärme, ihrem Leben die Hoffnung, ihres Seins den Sinn.
Die Seele bittet sie ihn zu entfliehen, doch der Körper ist wie gelähmt. Die Seele fürchtete ihn. Doch sie hatte keinerlei Chancen. Sie kannte ihn seit langem und wusste, dass er ihr überlegen war. Auch zuvor hatte sie versucht ihn zu bekämpfen. Doch jedes Mal aufs Neue wurde sie von ihm geschlagen.
Diesmal war Aufgeben wieder die beste Option. Es war auch der erste Gedanke, der ihr einfiel.
Plötzlich fängt er an sich ihr anzunähern. Sie zittert am ganzen Leib und schlüpft all ihre Kraft, um wegzulaufen, doch es geht nicht. Sie ist wie erstarrt. Er greift ihr an den Hals. Sie schlägt die Augen zu und lässt in Sekundenschnelle all die schönen Ereignissen ihres Lebens vorspielen. Sie erinnert sich an ihre Kindheit, wo sie sorglos ihr Leben genoss. An ihre Familie, die trotz all den turbulenten Auf und Abs, trotz all das Bittere immer noch zusammenhielt. Sie denkt an all die Menschen, die in den tiefsten Momenten ihres Seins ihr zu Hilfe eilten. Die, die wie Engel in ihrem Leben erschienen. Gleichzeitig tropfen die Tränen. Sie drängen in den Rissen ihrer gefalteten Haut und lassen kleine Funkesprossen blühen.
Nun ist sie bereit all dem ein Ende setzten zu lassen. Auch, wenn dies auf einer qualvollen Weise, durch ihn geschieht. Die Seele, aber kann weder ruhen noch es akzeptieren. Sie will dem Leben eine zweite Chance geben. Sie will nicht aufgeben.
Sie blickt ein letztes Mal auf die düstere Straße zurück und verabschiedet sich.
Er umhüllt sie und will sie verschlingen als aus dem Nichts winzige, schimmernde Teilchen auftauchen und ihn in Panik setzen. Denn das Licht wirkt für ihn wie Gift.
Und die Zeit lässt ihm keinen Ausweg mehr finden, denn die Teilchen waren bis zu seinem tiefen Inneren gedrungen. . .
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