Énouement
Es ist doch so einfach. Ein Rezept, seit Kindheitstagen gelernt und erweitert. Das letzte bisschen Schule, das erste bisschen Arbeit, dazwischen eine Prise Studium. Familie und all das kommt später, erst einmal alles richtig machen. Alles nach Rezept.
Es ist einfach. Das Endresultat ist bloß ein bisschen klumpig. Ein paar Zwischenschritte hinzufügen, das wird schon. Prüfung, Bewerbung, Wohnung finden. Die Prüfung wird zu einer Bakterienkultur, teilt sich und teilt sich und teilt sich, im Großen und Ganzen winzig klein, kann sie doch einen Elefanten dahinraffen. Bewerbung wird das Synonym für Nichts, Nichts kommt als Antwort, Nichts zerschlägt die Träumereien und Nichts bezahlt die Rechnungen. Nichts füllt die dunkle Wohnung, die Fenster sind klein, die Aussicht ist hässlich. Vorhänge kaufen, es mit dem Budget übertreiben, einen Monat lang nur das Nötigste essen und schließlich doch daran scheitern - nein, lieber nicht, bloß nicht gegen das Rezept.
Es ist nicht ganz so einfach. Menschlichkeit bildet sich im Teig nach dem zerfetzten Rezept. Mehr Zwischenschritte hinzufügen? Die Familie fragen? - Wir dachten, es ginge dir so gut alleine? Förderungen zusammenkratzen? - Und was sind Ihre Leistungen? Banken anbetteln? - Und welchen Besitz können Sie uns als Sicherheit anbieten? Freunden hinterherlaufen, in ihre Realitäten flüchten, allesamt besser als die eigene, selbst ist man zu langsam oder zu schnell, um mit ihnen mitzuhalten. Liebe verflüchtigt sich, zieht schneller an einem vorbei, als sie einst kam; kalt ist die unbeheizte Wohnung, Nichts zahlt das Heizen nicht.
Es ist sogar ein bisschen schwer. Der Teig ist unausgewogen, die Prise Studium hat das Rezept verfälscht. Nutzlos sind die Anweisungen geworden, unter den Fingernägeln kleben Tests, ihre Ergebnisse sind nicht hervorzukratzen. Der Ordner mit den Rechnungen hat zu viel gefressen, er behält nichts mehr. Neue Freunde finden ihren Weg in den Teig, wollen helfen, keine Zeit, Arbeit ruft, Bett gesucht. Schlaf für die Prüfung gebraucht, die U-Bahn gefunden, dunkle Nacht, grelles Licht.
Zu Hause sind tobende Nachbaren die einzige Musik, die Wohnung ist kalt, es herrscht Tropenhitze. Die Familie ruft an, drei Anrufe verpasst, keine Zeit; als die Bettlaken das letzte Mal frisch waren, war die Rose am Tisch noch nicht zu Staub zerfallen.
Wohl größenwahnsinnig gewesen. Die Zutaten sind vermischt, der Teig ließe sich nur noch vernichten. Das Gemisch vertrocknet, die Klumpen zerfallen. Zu schnell Entscheidungen getroffen, zu schnell erwachsen geworden. Zu sehr darauf konzentriert, ein Leben zu servieren, wie es im Buche steht, wie es vorgezeigt wird, wie es wohl keiner hat.
Denn Milliarden Sorten aus demselben Teig verkommen ungekostet.
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