Oben und untenvon Helene Kratky
Karawanken, sie schwanken, ich steh drauf, runterschauen trau ich mich nicht, wegen der Höhenangst und weil sie schwanken
Pech gehabt, selber Schuld, dein Problem, du wolltest unbedingt hinauf, hab gleich gesagt, keine gute Idee, du wolltest nicht hören, bist einfach drauflosmarschiert, Ausblick ist schon schön
Schön hoch
Dann geh runter
Was soll ich unten
Was willst du oben, wenn du Angst hast, dich nicht wohlfühlst, am ganzen Körper zitterst, geh
Was soll ich runtergehen, hab ja Angst vor unten, wenn ich runterschau, dann wird mir schlecht
Das macht keinen Sinn, du hast Angst vor oben, unten aber auch, weil du dich oben vor unten fürchtest, auch unten vor oben?
Genau
Wenn Karawanken das nächste Mal schwanken und du gerätst ins Wanken, wirst du mir im Nachhinein danken, auch wenn wir im Vorhinein zanken, Um deine Angst zu lindern, deinen Fehler zu vermindern, werde ich dich hindern, Auf Karawanken zu gehen, oben zu stehen und sich nicht trauen hinunterzusehen, nur auf die Zehen zu spähen und in Angst zu vergehen
Du begreifst es nicht, oben zu sein, darum geht es, das brauche ich, das muss so sein, das gehört einfach so
Nein, das verstehe ich nicht, das ist sinnlos, einer braucht nichts zu machen, was er nicht will, einer muss nichts ohne Grund, etwas gehört nicht einfach so irgendwie
Die Sonne geht unter, Schauspiel der Natur, das ist schön
Aber den Ausblick hast du nicht schön gefunden
Das ist etwas anderes, wenn ich den Ausblick schön finde, muss ich auch unten schön finden und das würde nicht stimmen
Schon wieder nicht richtig, die Sonne verschwindet auch hinter der Erde und das ist unten, Fazit wenn dir der Sonnenuntergang gefällt, muss dir auch unten gefallen oder eben beides nicht
Versuch mich zu verstehen, meine Angst wird nicht vergehen, sie bleibt bestehen, ich will dir etwas erzählen: Die Sonne geht unter, das heißt mitunter, keiner ist mehr munter, dann blicke ich runter und alles steht kopfunter, oben wird unten und unten wird oben, Himmel zur Hölle und Staub zu Licht, Schnee wird zu Wasser und dunkel zu hell, Hass wird zu Liebe und ich werde frei,
frei wie ein Vogel, ein Herbstblatt, ein Lichtstrahl,
frei zu empfinden die Lust und das Leben, zu spüren die Luft, zu singen das Lied,
frei wie ein Echo in Bergen, ein Strom in Flüssen, ein Rauschen in Bächen,
frei wie die Höhen der Hänge, die Weiten der Wiesen, die Tiefen der Täler,
frei wie ein wortloses Buch, ein Satz ohne Anfang, ein Blatt ohne Sinn
Schwer, doch nicht, nein lose, Schwere sind wir los, einfach schwerelos
Wir stehen auf Karawanken, sie schwanken, runterschauen trauen wir uns nicht, wegen der Höhenangst und weil sie schwanken, wir sind versunken in Gedanken und wanken auf diesen ewigen Karawanken
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