Oder
Morgen. Tage- nein wochenlanges Üben liegt hinter ihm. Eine Achterbahn der Gefühle. Die reinste Folter. Doch morgen ist er da, der Tag des Grauens. Dann muss sein Können erneut unter Beweis gestellt werden – oder doch eher sein Versagen? Nach außen hin scheint seine Existenz als die perfekte schlechthin. Der adrette Junge umzingelt von einer Familie; wie aus dem Bilderbuch und geziert von einem behütenden Golden Retriever. Nach außen hin zumindest. Der heftige Druck, den seine „perfekte“ Mutter auf ihn ausübt. Er zerfleischt ihn. In den Spiegel schauend geht er sie ein 26tes Mal durch, diese unzähligen Zeitformen. Diese ihm sich nicht erschließenden Bindewörter. Verzweiflung. Und immer wieder holt ihn diese unbestreitbare, ihn einnehmende Unsicherheit ein. Wo er sich in dem einen Moment noch wie der König der Erde gefühlt hat, da kommen im nächsten diese gewaltigen Zweifel auf. Zweifel an der Welt, Zweifel an sich selbst. Sie fressen ihn auf. Den Höhepunkt erreichen sie alle eineinhalb Monate. Jedes Mal, wenn die nächste Schularbeit in dem Gegenstand ansteht. Dieses verfluchte Englisch, dieses grauenhafte Fach, diese kratzbürstige Lehrerin – oder war es doch die Mutter, die so furchtbar war? Sie war eine Bedrohung für ihn. Gestern war er sich noch völlig sicher: Dieses Mal gäbe es keine Chance auf Misserfolg. Nun sitzt er auf seinem Bett und ist sicher, er wird seine Familie, seine Lehrerin, aber vor allem seine Mutter in weiteres Mal enttäuschen. Und sein Selbstwertgefühl sinkt auf null. In seinem Inneren schlummert eine Unruhe, sie macht ihn verrückt, sie ist nicht zu bändigen. Hin und her gerissen zwischen „Ich könnte es schaffen“ und „Ich werde es sowieso nicht schaffen“ quält er sich in den Schlaf. 11: 01 Uhr, es ist geschafft. Das Examen verlief gut… oder?
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