Ohne Pause, eklige Jause
In der Früh aufstehen. In die Schule gehen. Ich bin zwar in England, aber es fühlt sich nicht wie Urlaub an. Ja, ist schon klar, wir sind hier mit der Schule. Sollte eine Projektwoche nicht auch Spaß machen? Meine Gastfamilie, jeden Tag eklige Jause. Das einzige, was ich esse, sind Lays-Chips, die sie mir einpacken. Jause, Jause, jeden Tag eklige Jause. Ich weiß, andere Sitten, aber muss das Essen so scheiße schmecken. Jeden Tag denke ich daran, wie kann ich die Jause verstecken, um meine Gastmutter nicht zu enttäuschen. Soll ich sie den Obdachlosen geben? Nein, das ist unter ihrer Würde. Tag ein, Tag aus, jeden Tag Schule und ekelige Jause. Ich schmiede so langsam einen Plan. Die Jause meiner Gastmutter wird von Tag zu Tag schlimmer und ihre Persönlichkeit auch. Die Lays-Chips schmecken noch immer gut.
Die Duschen in England sind sehr komisch: entweder zu kalt oder zu heiß. Ich habe eine Nische gefunden, wie man das Problem lösen kann. Dreht man das Zahnrad auf kalt und anschließend auf heiß, so hat man ein Zeitfenster von zehn Sekunden, in denen das Wasser genau richtig ist. Gestern habe ich ihre Dusche kaputt gemacht.
Schule, Schule, immer nur Schule. Eklige Jause. Zur Hölle damit. Die Englischwoche hat sich zu einem Höllentrip entwickelt. Hätte ich das nur früher erkannt. Ich muss drei Tage lang stinken. Ich fange an, meine Gastmutter zu hassen. Da fällt mir mein Plan ein. So sehr habe ich versucht, ihre Gefühle nicht zu verletzten. Es reicht. Ich muss ausbrechen.
Tag der Abfahrt. Es ist früh, ich wurde geweckt. Ich starre in ihre Augen, die durch ihre faltigen Augenlieder halb verdeckt sind. Sie spricht durch ihre Zahnlücke, sie spuckt mir ins Gesicht. Ihr Mann fährt mich zum Flughafen. Höflich verabschiede ich mich. Mit einem Grinsen im Gesicht steige ich in die Maschine, doch bin ich der Einzige, der weiß, dass ein Vorrat von einer Woche an ekeliger Jause im Gästezimmer vergammelt. Bin ich das wahre Monster?
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