Ohne Plan
Ein Gefühl von Freiheit erfüllte seinen Kopf, als er aus dem Wagon schaute. Schon zu lange hatte er darauf verzichten müssen. Nicht darüber nachdenken wohin, einfach aussteigen, wenn es passte. Statt Menschen, die versuchten, einen davon abzuhalten sein Leben wegzuwerfen, konnte er selber entscheiden, was er damit anfing. Kein Ziel vor Augen, aber wer brauchte das auch schon? Für ihn gab es nur den Augenblick.
Noch vor drei Stunden hatte sie ein normales Leben, gerade erst die Schule beendet und schon in der seelischen Vorbereitung auf das Studium. Um es mit einem Wort zu beschreiben, ihr Leben war Standard. Sie verschmolz mit der Masse an Menschen die aufstanden um zu tun, was sie hassten, aber es dennoch nicht lassen konnten. Sie hatten beide nichts zu tun gehabt und all ihre Freunde hatten angefangen die Ferien zu genießen, indem sie solange tranken bis ihre Beine zu nutzlosen Gummischlangen mutierten. So kam es, dass sie zusammen auf einem streifen Grün saßen und in die Ferne starrten.
Nur ein paar hundert Meter von ihnen entfernt verliefen zwei Schienen ins Nichts. Sie führten in das undurchdringliche schwarz eines schier endlosen Tunnels. Sie hörten das Schreien von Metall auf Metall als die Fahrer abbremsten bevor sie verschwanden. Da kam ihm eine Idee, angenommen die Züge würden langsam genug werden fahren und sie würden theoretisch schnell genug laufen, um sich in einen der Wagons zu schwingen. Nur um zu sehen, was auf der anderen Seite auf sie warten würde.
Im Nachhinein hätte sie niemandem erklären können, warum sie auf ihn gehört hatte, mit ihm gelaufen und gesprungen war. Sie wusste nicht mehr aus welchem Grund sie nach seiner Hand gegriffen hatte als er es schon geschafft hatte, aber das alles war ihr egal als sie ihren ersten Blick nach draußen werfen konnte. Sie sahen was außer ihnen kaum jemand zu Gesicht bekommen hatte. Sie sahen die Farben des Herbstes, wie sie an ihnen vorbeiflogen, ein Baum nach dem anderen. Keiner hatte verstanden warum es für sie so faszinierend gewesen war, warum sich diese Opfer für sie gelohnt hatten.
Zuerst hatte sie noch an ihrer Entscheidung gezweifelt, aber als er einen Lautsprecher aus seinem Rucksack holte, verschwand auch das letzte Bedenken aus ihren Gedanken. Die Landschaft schmolz mit der Musik zusammen und wurde zu einem Moment, dessen Perfektion nur noch von dem Essen in ihrem Rucksack ein Stück besser werden konnte.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX