Onomatopoetischer Herbst
An einem tristen, verregneten Herbsttag sehe ich mich von einem Schwall an Langeweile überrascht. Meine ansonsten sprühend bunte Fantasie erscheint nur noch blass und farblos, fast wie ausradiert. Müde lehne ich meine Schulter an das Glas eines Fensters, und dumpf tropft das Wirbeln nasser Trommel in mein Ohr. Beinahe verzweifelt lausche ich der onomatopoetischen Darstellung, welche sich mir bietet.
Tropf. Tropf. Es hört nicht auf.
Mein Geist versinkt in belanglosem Gedankengut, hinab durch den Sand alter, unbrauchbarer Ideen. Ein honigsüßes Traumgebilde erscheint vor meinem inneren Auge.
Alles ist Schwarz, mein Blick geht hoch. Ein Meer tut sich dort auf, voll von vorsichtig getupftem Gold, im Rampenlicht schmaler Sichel. Ich erahne nicht Welle noch Gischt. Wie sehr begehre ich dort zu sein, tief in unberührter Dunkelheit und unbekanntem Raum. Die ersten, vorsichtigen Fußabdrücke auf unschuldigem Boden will ich hinterlassen. Eine neue Welt, für mich, nur mich.
Aber doch träume ich, nichts ist real, weder heute noch in einer Woche. Verdammt bin ich hier auszuharren, in meinem Heim, draußen steter Regen. Es trommelt, pocht und tropft, folgend einer steten Melodie.
Tropf. Tropf. Es hört nicht auf.
Endlich lässt die Nässe nach. Ängstlich wagen sich die ersten Sonnenstrahlen hervor und eine Amsel kehrt auf ihren Ast, in ihrem Baum, in unserem Garten zurück. Gemeinsam mit dem Nieselregen singt sie ein Duett. Es ist wundervoll.
Etwas streift an meinem Bein, es ist das Fell meines Tigers. Mit einem Stoß landet er auf meinem Schoß. Sehnsüchtig richten wir unsere Pupillen auf den Vogel, während ich den Jäger streichle. Er teilt mein Schicksal. Darüber bin ich froh.
Beinahe entgeht mir wie das Sonnenlicht schwindet und die Wolkendecke ihre Luken schließt. Die Amsel ist verschwunden. Es beginnt erneut.
Miau. Tropf. Es hört nicht auf.
Die Tür zu meinem Zimmer öffnet sich mit bedrängenden Tönen und meine Schwester tritt auf. Ich lausche noch immer dem Trommeln, Pochen und Tropfen. Es macht mich auf absurde Art und Weise heiter. Geleitet mich aus meinem Ennui. Für einen geruhsamen Moment. Und meine Schwester spricht:
»Wir gehen in die Stadt. Möchtest du uns begleiten? «
Ich grüble mit großer Sorgfalt, denke nach. Mein Kopf schwingt träge von links nach rechts und, es tut im Herzen weh, ich quittiere:
»Bitte, geh. «
Die Tür schlägt zu. Mein Blick geht wieder auf die Seiten, bedruckt mit Worten aus einer fernen Welt. Mit einfühlsamen Fingern blättere ich um, lasse mir Zeit dabei. Ich lese von einem Jungen an einem Fenster. Er teilt mein Schicksal. Darüber bin ich froh.
Tropf. Tropf. Tropf.
Es hört nicht auf.
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