Panne
Schon wieder eingeschlafen. Das Rattern eines fahrenden Zuges hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Eine einschläfernde, um genau zu sein. Nicht die beste Charakterpanne, wenn man „Wagenmeister“ als Berufung ausübt. Panne… da war doch was. Ich putze mir den Sand aus den Augen und reibe die Asche, die sich irgendwann während meines Weggedöstseins von meiner Pfeife gelöst hat, in die dunkelgrauen Fasern meiner Jacke.
Ich rapple mich auf und remple beinahe auch noch einen Hilfsjungen an, den ich aufgrund seiner überschaubaren Größe fast noch kleiner getrampelt hätte. „Ähm, es gibt da ein Problem am Heck vom Zug“, ertönte sein gebrechliches Stimmlein, bei dem man aufpassen musste, dass man es nicht mit einem Windstoß eines etwa zu starken Seufzers außer Kraft setzte. So marschiere ich nun also Richtung Heck. Was genau für all die Aufruhr an Bord sorgte, weiß ich noch nicht, doch machen mich die wachsend panischen Passagiere, denen ich auf dem Weg zu meinem Ziel begegne, selbst ein wenig nervös. Am letzten Wagon angekommen bemerke ich passenderweise etwas Merkwürdiges. Nach näherer Betrachtung sieht es sogar auch noch fragwürdig aus, also frage ich: „Wo ist die verdammte Türklinke? !“ Ich drehe mich um, doch der Wagon ist leer. Es ist dunkel, die Vorhänge sind geschlossen und ich kann keine Fahrtunebenheiten ausmachen, welche mir verraten würden, ob wir uns immer noch fortbewegen, oder ob wir bereits stehen. Das einzige bisschen Licht, das mir Sicht schenkt, ist jenes, welches sich nun von der anderen Seite des Fensters der türklinkenlosen Tür bemerkbar macht. Das Licht kommt näher, es torkelt von einer Seite zur anderen, ähnelnd einer Pendeluhr. Bei mir angekommen, öffnet sich die zuvor versperrte Tür und vor mir wird frei ein scheinbar endloser, blau beleuchteter Gang, der das Innenleben eines Wagons zwar nachzuahmen scheint, doch etwas Entscheidendes dabei vergisst. Menschen. Im Endeffekt war wohl doch kein End defekt - viel mehr war gar kein Ende in Sicht! Von der ganzen Sache wird mir allmählich schwindlig, also beschließe ich mich auf einen der Hocker zu setzen, die willkürlich durch die Gegend platziert zu sein scheinen. Ich sehe zu Boden. Das Geräusch des Zuges, wie er sich seinen Weg über die Gleise bahnt, ist wieder zu hören. “Panne!“ Meine Augenlider werden schwer. „Panne!“ Ich bin erschöpft. “Panne!“ Müde. Verdammt, schon wieder eingeschlafen.
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