Paradies
Ich wollte ins Paradies. Mein ganzes Leben lang war ich von der Vorstellung eines solchen Ortes, an dem es keinen Schmerz gibt, fasziniert. Eine Welt, die in jedem Sinne einfach nur perfekt ist. Ist das nicht das ultimative Ziel jedes Menschen? Unser jetziges Leben, unsere jetzige Welt ist eine Prüfung, die determinieren soll, ob wir es überhaupt verdienen an diesen wundervollen Ort zu gelangen, um eine Unendlichkeit dort zu verbringen. Aus diesem Grund konnte ich es kaum erwarten endlich zu sterben. Versteht mich nicht falsch, ich war keinesfalls unzufrieden mit meinem Leben! Mir ging es um einiges besser als vielen anderen. Ich hatte genug. Genug Geld um ein einigermaßen luxuriöses Leben zu führen. Genug Freunde um ein gutes soziales Leben zu haben. Aber ein genügendes Leben ist kein perfektes Leben. Als der Moment endlich kam und meine Seele sich von meinem Körper löste und in die Weiten des Universums wanderte, war ich aufgeregt wie nie zuvor. Meine Seele wurde von einer unbekannten Kraft getrieben, bis ich endlich zu einem Halt kam. Vor mir befand sich eine Tür, hinter der Gelächter gehört werden konnte. Aus dem Nichts tauchte vor mir ein Glas auf. In diesem befand sich eine nicht-identifizierbare Flüssigkeit. Die Flüssigkeit sollte determinieren ob ich eine Unendlichkeit in der Hölle oder im Paradies verbringen würde. Die Flüssigkeit sollte mein menschliches Bewusstsein zu einem höheren Rang erheben, sodass es in der Lage ist, Konzepte des Universums zu verstehen, die mit einem irdischen Verstand nicht erfassbar sind. Ich sah dies als einen Test, der die übermäßig nach Wissen gierenden von denen unterscheiden sollte, die wahrlich mit dem zufrieden sind, was ihnen gegeben wurde. Daher lehnte ich das Angebot ab. Wie als Antwort öffnete sich die Tür und erstmals erblickte ich höchste Perfektion. 1 Trilliarde Jahre später: Ich wünschte es gäbe kein Paradies. Die Zeit vergeht hier nicht so wie auf der Erde. Wir sind weder durch Raum noch durch Zeit beschränkt. Doch die Zeit vergeht und vergeht, es scheint kein Ende zu haben. Dieser Ort hat eine Unendlichkeit hinter sich und noch eine vor sich. Ich bin Teil dieser Unendlichkeit. Und ich realisiere mit Entsetzen: Ein Ort, den es schon immer gab und den es für immer geben wird. Ein Ort, der der Inbegriff von Perfektion ist. Einen solchen Ort kann man nicht verbessern und keine Verbesserung bedeutet auch keine Veränderung. Eine solche Welt ist in sich selbst isoliert. Das Paradies gleicht einem goldenem Käfig. Auch wenn man versucht sich vom Glanz dieses Käfigs abzulenken, ist man sich seiner Gefangenschaft bewusst und somit nie zufrieden. Ich bin eine Seele mit einem Bewusstsein das menschlich ist. Ich bin nicht in der Lage Unendlichkeit zu verstehen und daher auch nicht sie zu akzeptieren. Und so verstehe ich mit Entsetzen: etwas wie eine Hölle existiert nicht im realen Sinne. Ich habe mehr als genug, doch meine Gefangenschaft ist eine Hölle. Ich habe nicht einmal den Tod, der mich befreien könnte.
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