Pflasterstraße
Für mich sind die verschiedenen Augenblicke, die ich bisher erlebt habe sehr vielfältig gewesen und dennoch unterteile ich sie in meiner Erinnerung in schön, blöd und seltsam ein.
Ich habe in meinem Leben schon viele schöne Augenblicke erlebt, doch die wunderbarsten und besten davon waren so vollkommen, dass mich ein überirdisches Gefühl der Trauer packte.
War es, weil dieser Moment, wie alles andere auch, vergänglich war? Oder brannte tief in meinem Inneren ein Wunsch, der mir die Gabe nahm grenzenlos zu genießen? Konnte ich einfach nicht die Perfektion des Augenblicks ertragen?
Doch egal wie ich einen Augenblick empfinde, die, die sich von den Übrigen aus meinem Alltag abheben, trage ich vermutlich fast zur Gänze immer bei mir. In meinem Herzen, von wo ich sie nach Belieben hervorrufe und auf meinem Blut durch den ganzen Körper reiten lasse, um mich wieder zu jenem Zeitpunkt zurück zu versetzten.
Ich friere Momente nicht gewaltsam ein. Ich lade sie unbewusst ein bei mir zu bleiben und Teil meiner Erinnerung zu werden.
Zeit besteht aus vielen Augenblicken. Wimpernschlägen, im Vergleich zum vor kosmischen Kräften strotzenden Universum. Und doch verändert jeder dieser Augenblicke unglaublich viel. Gerade JETZT wird ein Kind geboren, ein Jubiläum gefeiert, tausende von Menschen bei einer Kanonensalve umgebracht, mehrere Tonnen Müll ins Meer gekippt, aber eventuell auch ein Gesetz beschlossen, um der Gleichberechtigung einen Schritt näher zu kommen.
Diese unglaubliche Größe an Veränderungen mit jedem Moment ist vielleicht auch ein Grund für die Trauer, die mich so oft schon überfallen hat, wenn ich gerade großartige Augenblicke erlebte. Gleichzeitig das Gefühl glücklich sein zu müssen, kann ausschlaggebend genug sein um einen vollkommenen Moment als seltsam zu empfinden.
Und da jeder dieser Wimpernschläge die Macht besitzt so viel auf unserer kleinen Erde auszurichten, hat jeder Augenblick einen Einfluss auf den nächsten. Er hallt nach. Manchmal ist dieser Hall so stark, dass man das Gefühl hat, es wäre immer noch ein und derselbe Augenblick, der nach wie vor aktuell stattfindet. Aber wer weiß? Vielleicht tut er das tatsächlich? Vielleicht zieht er sich in die Länge und die Wirklichkeit, die sich ewig gleich und erbarmungslos anfühlt, ergreift nur langsam von einem Besitz. Und in der Zwischenzeit fühlt sich alles taub, leer und falsch an. Dennoch ist die Wirklichkeit irgendwann da, ab dann werden die Folgen des Augenblicks sichtbarer und auf einmal muss man in völlig neuen Situationen zurechtkommen, egal was war.
Eigentlich weiß ich kaum etwas über Augenblicke. Aber vielleicht werde ich in meinem Leben noch etwas über sie erfahren. Es liegt ja noch vor mir, eine Pflasterstraße, jeder Stein ein anderer Moment, eine andere Lektion, eine andere Erfahrung, alle miteinander verbunden.
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