Philia
Blaue Plastikohrringe in der Form von Sternen.
Ein paar Jahre später: die Sterne über uns auf dem Weg ins Kino, eine halbleere Weinflasche in der einen Hand, die andere in deiner.
Ich fühl mich überall zuhause, solange du neben mir stehst.
Im Moment stehe ich neben mir.
Weiß nicht, wo oben und unten ist, um mich dreht sich alles – nein, es dreht sich alles um dich.
Wir drehen uns im Kreis auf einer saftig grünen Wiese – es ist Frühling, und ich spüre, wie ich platze, als wir gleichzeitig ins Gras fallen.
Kugelmenschen – wir zwei. Nicht seelenverwandt, sondern entstanden aus einem, auseinandergerissen.
Pünktlich um 7: 40, auf halbem Weg zur Schule, klingelt mein Handy, ich weiß, dass du es bist, halte es an mein Ohr. Froh, deine müde Stimme zu hören, die alles übertönt, das Geräusch der Blätter, die zu Boden fallen, meine Gedanken und die Klänge dieser leblosen bleiernen schläfrigen Stadt.
Belanglosigkeiten werden ausgetauscht. Die Wahrheit steigt bei der nächsten Haltestelle ein, setzt sich auf den freien Platz neben mir, drängt sich auf. Ein unerwünschter Fahrgast. Ich sage nicht, dass du mir fehlst. Irgendetwas fehlt doch immer, zumindest, wenn man den Dingen hinterherjagt, so wie ich es tue, sich nie mit dem zufrieden gibt was man vielleicht haben könnte, immer mehr will.
Die Wahrheit verzieht das Gesicht zu einer Grimasse, hievt sich mühsam von ihrem Sitz und drückt den Haltewunsch-Knopf. Sie hat verstanden, dass es hier keinen Platz für sie gibt. Die Wahrheit verlangt nach tiefschwarzen Nächten in deiner leeren Wohnung oder knorrigen Kirschbäumen im Juni.
Wir verabschieden uns erst, als ich vor meiner Klasse stehe. Ich fühle mich nicht mehr rund, nicht kugelförmig.
So mir selbst überlassen bin ich eckig, unvollkommen.
Als ich den Raum betrete, lache ich kurz auf. Es ist alles wie immer, alles ist gleich geblieben, die verhassten grünen Wände, das zu laute Ticken der Uhr.
Und ich bekomme hier keine Luft.
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