Plötzlich in der Zukunft
Bum! Das war das letzte Geräusch, welches ich hörte, bevor alles schwarz vor meinen Augen wurde. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, als plötzlich ein anderer Wagen um die Ecke kam und inklusive meines Autos gegen die nächste Mauer crashte. Ich sah mein ganzes Leben an mir vorbeiziehen. Jede einzelne Sekunde. Ich sah auch die Momente, die in meinen Erinnerungen schon längst vergessen waren, vor meinen Augen. Ich spürte nichts mehr. Keinen einzelnen Muskel. Ich war tot.
Doch auf einmal konnte ich wieder atmen. Ich konnte mich wieder bewegen und setzte mich auf. Ich war in einem Krankenhaus. Mein Kopf schmerzte. Es scheint, als hätte ich den Unfall doch überlebt, aber irgendetwas war anders, denn als sich die Tür öffnete, tritt kein Arzt in den Raum, sondern ein Roboter, welcher mich, ohne meine Liege zu berühren, in einen anderen Raum zog. Dort warteten drei Ärzte und zwei Ärztinnen auf mich und schauten mich erwartungsvoll an. Ich konnte in dem Moment noch nicht realisieren, was mit mir passiert ist. „Du fragst dich bestimmt gerade, wo du bist, nicht wahr?“, fragte mich einer der Ärzte als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich nickte zögernd als er plötzlich anfing alles zu erzählen. „Also, du hattest einen Autounfall, wobei dein ganzer Körper durch die Windschutzscheibe geflogen ist. Du bist gestorben, aber dank unserer damals neuen wissenschaftlichen Studie, konnten wir deinen toten Körper in einer bestimmten chemischen Flüssigkeit einfrieren. Dieser hatte sich die letzten 40 Jahren neutralisiert und vor zwei Wochen haben wir dich wieder aufgetaut und wiederbelebt. Glücklicherweise konnten auch alle deine Erinnerungen erhalten bleiben. Es ist eine wissenschaftliche Sensation, dass es tatsächlich funktioniert hat.“ Schockiert starrte ich den Arzt an. „Das heißt, ich lebe wieder und bin jetzt im Jahr 2062?“, fragte ich den Arzt. „Ja, du hast ganz schön viel verpasst“, antwortete er mir. Noch nie in meinem Leben war ich so perplex.
Die nächsten zwei Wochen wurden sehr viele Untersuchungen an mir gemacht. Mich aber hat es nicht interessiert, was für Untersuchungen das waren. Ich bin noch immer nicht damit klarkommen, was passiert war. Meine Eltern waren bereits verstorben und meine Freunde müssten schon sehr alt sein. Ich redete mit niemanden und wünschte mir, nie wiederbelebt worden zu sein. Warum genau ich? Ich wollte das nie! Langsam fiel ich in eine schwere Depression, aus der ich nie rauskam. Die Ärzte und Psychologen empfahlen mir ein neues Leben anzufangen, aber ich wollte all das nicht mehr, also stritt ich alles ab. Mein ganzes restliches „Leben“ verbrachte ich in einer Klinik für geistig Behinderte. Mir wurde oft gesagt, dass ich eine wissenschaftliche Sensation sei. Leute wollten Interviews mit mir und mich kennenlernen. Ich sprach aber mit niemandem über diese schreckliche Erfahrung. Von der Welt im Jahre 2062 bekam ich also nichts weiter mit und beging 13 Jahre nach meiner Wiederbelebung Suizid.
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